Das Equine Cushing-Syndrom, kurz ECS, ist eine der am häufigsten vorkommenden hormonellen Störungen bei älteren Pferden und Ponys. Sie tritt bei etwa jedem fünften Tier ab dem 15. Lebensjahr auf, wobei neuere Untersuchungen zeigen, dass die Krankheit schon ab einem Alter von 7 Jahren in Erscheinung treten kann. Bislang ist das Equine Cushing-Syndrom nicht umfassend erforscht. Nichtsdestoweniger ist es zunehmend in den Fokus von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen gerückt, da es in den letzten 10 bis 15 Jahren immer häufiger diagnostiziert wurde und als nicht heilbar gilt. Man geht davon aus, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwa 50.000 Pferde in Deutschland an ECS erkrankt sind. Die Symptome sind mannigfaltig und reichen von Fellveränderungen über Osteoporose und Entzündungen der Gelenke bis hin zu lethargischem Verhalten. Wir geben einen Überblick, welche Ursachen dahinterstecken, welche Ausprägungen die Krankheit aufweisen kann und welche Therapiemöglichkeiten es gibt.
ECS, ECD, Cushing und PPID – eine Begriffsklärung
Das Equine Cushing-Syndrom wird im Englischen als Equine Cushing Disease, kurz ECD, bezeichnet. Cushing referiert auf den Nachnamen des US-amerikanischen Neurologen Harvey Williams Cushing, der als Begründer der modernen Neurochirurgie gilt und sich durch vielerlei wissenschaftliche Leistungen hervorgetan hat. Dazu gehört unter anderem die Beschreibung des Cushing-Syndroms, einer körperlichen Veränderung, die auf eine gesteigerte Cortisolproduktion in den Nebennieren zurückzuführen ist. Bisher wurde die Krankheit sowohl beim Menschen als auch bei Tieren diagnostiziert, allen voran bei Pferden (Equines Cushing-Syndrom) und bei Hunden (Canines Cushing-Syndrom), bei Katzen (Felines Cushing-Syndrom) seltener.
Eine alternative Bezeichnung für ECS ist PPID. PPID steht für Pituitary Pars intermedia Dysfunction und ist vor allem in der angelsächsischen Veterinärmedizin gebräuchlich. Der Begriff bezeichnet die am häufigsten vorkommende Variante von ECS, die durch eine Überfunktion des mittleren Teils (pars intermedia) der Hirnanhangsdrüse ausgelöst wird. Genau genommen ist PPID die konkretere Bezeichnung, hat sich aber im deutschsprachigen Raum nicht durchgesetzt. Cushing ist der gebräuchlichere Begriff und hat sich bei Pferdehalterinnen und -haltern wie auch bei Veterinärmedizinerinnen und- medizinern etabliert.
Entstehung und mögliche Ursachen von Cushing bei Pferden
Das Equine Cushing-Syndrom ist eine Erkrankung, der eine Störung des Hormonhaushalts zugrunde liegt und die hauptsächlich bei älteren Pferden und Ponys auftritt. Ursache ist eine Fehlfunktion des mittleren Teils der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), die meist durch einen gutartigen Tumor (Adenom) ausgelöst wird. Der Tumor bewirkt, dass die Hirnanhangsdrüse übermäßig viel ACTH ausschüttet. ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) ist wiederum für die Bildung von Nebennierenhormonen und insbesondere von Cortisol zuständig.
Der Überschuss an ACTH hat zur Folge, dass der Cortisolspiegel steigt. Normalerweise würde sich dieser Prozess von selbst regulieren, indem der Körper signalisiert, dass ausreichend Cortisol vorhanden ist und die Produktion von ACTH drosselt. Bei Pferden mit Cushing funktioniert das jedoch nicht. Stattdessen wird immer weiter ACTH und somit Cortisol gebildet. Die Problematik hinter der permanenten Ausschüttung von Cortisol besteht darin, dass aufgrund dessen vielfältigen Wirkung der Hormonhaushalt vollkommen aus dem Gleichgewicht gerät, was sich auf den Zucker-, Fett- und Proteinstoffwechsel, das Immunsystem, das Herz-Kreislauf-System, den Wasser- und Salzhaushalt und viele weitere Bereiche und Körperfunktionen auswirkt.
ECS kann auch durch ein Adenom im Bereich der Nebennierenrinde entstehen, das dann direkt eine Überproduktion von Cortisol verursacht. In dem Zusammenhang spricht man vom primären oder adrenalen Cushing-Syndrom. Bei Pferden scheint jedoch die hypophysäre Variante (sekundäres Cushing-Syndrom) häufiger vorzukommen. Wie das Adenom überhaupt entsteht, ist bislang nicht hinreichend geklärt.
In der Vergangenheit wurde beobachtet, dass Cushing vor allem eher bei unterbeschäftigten, übergewichtigen und leichtfuttrigen Pferden auftritt, also bei solchen, die problemlos große Futtermengen aufnehmen und verwerten können, bei Bewegungsmangel und Überfütterung jedoch zur Verfettung neigen. Eine Gegenmaßnahme hier kann die sogenannte Fressbremse sein. Deswegen ist es wahrscheinlich, dass die Haltungsbedingungen und eine zuckerreiche, übermäßige Ernährung mit der Entstehung von ECS zu tun haben. Aus diesem Grund wird Cushing auch als „Wohlstandskrankheit“ bezeichnet. Aufgrund des vermehrten Auftretens lohnt es sich, eine Pferdekrankenversicherung abzuschließen, um Tierarztkosten kalkulierbar zu machen und das Pferd bestmöglich abzusichern.
Die häufigsten Symptome bei Pferden mit Cushing
Die Symptome bei Pferden mit Equinem Cushing-Syndrom sind unspezifisch und überaus vielfältig. Das hat unter anderem damit zu tun, dass durch die Überproduktion von Cortisol zahlreiche Stoffwechselprozesse beeinträchtigt werden, was wiederum Auswirkungen auf diverse Körperfunktionen hat. Die Folgen sind dementsprechend weitreichend. Zu den am häufigsten beobachtbaren Symptomen zählen:
- Fellveränderungen und gestörter Fellwechsel: Pferde mit Cushing entwickeln oft ein überlanges, dickes, teils zotteliges und gelocktes Fell (Hirsutismus), das den Fellwechsel in Sommer und Winter erschwert. Darüber hinaus kann es vermehrt zu Hauterkrankungen, Ekzemen und Pilzinfektionen kommen.
- Hufveränderungen: Aufgrund des gestörten Zuckerstoffstoffwechsel ist Hufrehe eine häufige Erkrankung bei Pferden mit Cushing. Dabei handelt es sich um eine sehr schmerzhafte Entzündung der Huflederhaut, die mit weiteren Geschwüren einhergehen kann.
- Verhaltensänderungen: Häufiges Wasserlassen (Polyurie) infolge von starkem Durst und vermehrter Wasseraufnahme (Polydipsie), Schwitzen im Ruhezustand, erhöhtes Speicheln, tränende Augen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust sind weitere Begleiterscheinungen von ECS. Hinzu kommen Leistungsabfall und Abgeschlagenheit, was sich teils darin äußert, dass der Kopf im Stehen hängengelassen wird. Die Mattigkeit kann bis zur Apathie führen.
- Veränderungen von Muskel- und Fettanteilen: Bei Pferden mit ECS kann es zu Fettansammlungen am Bauch (Hängebauch), über den Augen und am Hals kommen. Muskeln bilden sich zurück, vor allem im Bereich des Rückens. Sehnenentzündungen und Knochenprobleme bis hin zur Osteoporose sind weitere mögliche Symptome.
- Veränderungen im Stoffwechsel und Immunsystem: Aufgrund veränderter Stoffwechselprozesse entwickeln Pferde mit Cushing häufig eine Insulinresistenz und in der Folge Diabetes. Da das Immunsystem geschwächt ist, verlangsamt sich die Wundheilung und die Anfälligkeit für Infekte steigt.
- Herz-Kreislauf-Probleme und Unfruchtbarkeit: Nicht selten leiden Pferde mit ECS an Herz-Kreislauf-Störungen und können kollabieren. Unfruchtbarkeit ist ebenfalls eine Folge von Cushing.
- Störung des Verdauungstrakts: An ECS erkrankte Pferde leiden mitunter an einer gestörten Magensäureproduktion. Teilweise wird auch die Magenschutzschicht angegriffen, was zu weiteren Beeinträchtigungen führt. Durchfälle gehören ebenfalls zu verbreiteten Symptomen und sind im Regelfall nicht behandelbar.
Die Symptome von Cushing sind häufig deckungsgleich mit Symptomen, die beim Equinen Metabolischen Syndrom (EMS) auftreten. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Wohlstandskrankheit, die aus einer falschen Fütterung und nicht artgerechten Haltungsbedingungen resultiert. Hufrehe, Insulinresistenz und Fettumverteilung sind auch hier typische Begleiterscheinungen. Aus rein symptomatischer Sicht lassen sich EMS und ECS daher nicht sicher voneinander abgrenzen. Aus diesem Grund sollte immer eine gründliche medizinische Untersuchung erfolgen, bevor Therapiemaßnahmen eingeleitet werden.
Wie wird das Equine Cushing-Syndrom beim Pferd diagnostiziert?
Eine zuverlässige Diagnose von ECS kann nur durch eine professionelle, veterinärmedizinische Untersuchung erfolgen. Es gibt zwei Methoden, um Cushing nachzuweisen. Bei der ersten Methode wird der endogene ACTH-Spiegel gemessen. Zu diesem Zweck wird dem Pferd Blut entnommen. Da die Hormonwerte stress- und tageszeitbedingt schwanken können, werden häufig mehrere Blutproben analysiert. Die ACTH-Referenzwerte variieren je nach Jahreszeit. Von November bis Juli werden 29 pg/ml als kritische Grenze angesetzt. Liegt der Wert darunter, gilt das Pferd als gesund. Wird der Wert erreicht oder liegt darüber, ist das Ergebnis ECS-positiv. Von August bis Oktober liegt der Referenzwert bei 47 pg/ml. Hier gilt analog: Ist der gemessene Wert niedriger, ist das Pferd als gesund einzustufen. Beträgt er exakt 47 pg/ml oder mehr, wird das Pferd mit ECS diagnostiziert.
Sofern das Pferd stress- und schmerzfrei ist, empfiehlt es sich, den ACTH-Test zuerst durchzuführen. Sollten dann noch Zweifel an der Aussagekraft bestehen, kann die zweite Diagnosemethode durchgeführt werden: der Dexamethason-Suppressionstest, kurz DST. Hierbei handelt es sich um einen Provokationstest, bei dem einem Pferd eine kleine Menge Dexamethason verabreicht wird. Dexamethason ist ein künstliches Glukokortikoid, das bei gesunden Pferden eine Herabsetzung der Cortisolproduktion bewirkt. Ergibt der Test, dass die Cortisolwerte unverändert (hoch) sind, ist der Körper des Pferdes offenbar nicht in der Lage, die Ausschüttung von Cortisol zu drosseln. Daraus lässt sich schließen, dass Cushing vorliegt.
Cushing therapieren: Diese Behandlungsmethoden gibt es
Das Equine Cushing-Syndrom ist eine im zeitlichen Verlauf fortschreitende Krankheit, die nicht heilbar ist. Sie kann aber sehr gut behandelt werden, um Symptome zu lindern und dem Pferd zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Die Therapie vereint im Regelfall Medikation, Ernährung und Bewegung. Verabreicht wird ein Medikament mit einem Wirkstoff namens Pergolidmesilat. Dieser hemmt die übermäßige Ausschüttung von ACTH in der Hirnanhangdrüse, was dazu führt, dass auch die Produktion von Cortisol eingedämmt wird. Meist startet die Medikation mit einer geringen Dosierung. Das hat den Vorteil, dass sich das Pferd langsam daran gewöhnen kann und eventuelle Nebenwirkungen wie Apathie, Appetitlosigkeit oder Durchfall schnell identifiziert, gegebenenfalls mitbehandelt oder durch eine Reduzierung der Dosis ganz vermieden werden können. Gerade am Anfang sollten die Blutwerte regelmäßig kontrolliert werden, um die richtige Dosierung einzustellen. Generell treten Nebenwirkungen von Pergolid selten auf.
Bei Durchfall gelangen Bakterien übrigens über die Harnwege in die Blase und können dort auch eine Blasenentzündung verursachen.
Zusätzlich werden ein Fütterungs- und Bewegungsplan aufgestellt. Empfehlenswert bei einer Cushing-Therapie ist ein kohlenhydratreduziertes Futter mit hohem Rohfaseranteil, um Insulinreaktionen zu vermeiden. Hafer und Mais sind ungeeignet. Gutes Heu ist die bessere Wahl, da es fast alle erforderlichen Nährstoffe enthält. Häufig werden hochwertige Pflanzenöle wie kaltgepresstes Leinöl und pektinhaltige Futtermittel als weitere Energie- und Nährstoffquellen hinzugegeben. Für Pferde, die aufgrund von Cushing Muskeln abgebaut haben, kann eine zusätzliche Eiweißversorgung sinnvoll sein. Ergänzend zur Ernährung ist eine regelmäßige, leichte Bewegung wichtig, um beispielsweise das Herz-Kreislauf-System und den Erhalt der Muskeln zu unterstützen.
Neben der eigentlichen Cushing-Therapie werden die Begleiterkrankungen des Pferdes, beispielsweise Hautekzeme oder Pilzbefall behandelt. Im Fall von Hufrehe ist gerade in Verbindung mit Cushing eine wirksame Schmerztherapie wichtig. Regelmäßiges Scheren kann dabei helfen, überlanges Fell loszuwerden und den Fellwechsel dadurch zu erleichtern. Des Weiteren sollten regelmäßige Impfungen, Entwurmungen und Zahnkontrollen erfolgen.
Fazit
Das Equine Cushing-Syndrom kann für Tiere mit einem langen Leidensweg verbunden und lebensbedrohlich sein. Umso wichtiger ist es, die Erkrankung so früh wie möglich zu diagnostizieren und Therapiemaßnahmen zu ergreifen. Zwar muss die Behandlung das restliche Leben lang erfolgen, die Aussichten, Symptome zu lindern und dem Pferd Erleichterung zu verschaffen, sind jedoch sehr gut, so dass es noch viele schöne Jahre vor sich haben kann.
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FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Equinen Cushing Syndrom
Wie kann man ein an ECS erkranktes Pferd neben der Therapie unterstützen?
Zunächst ist es wichtig, das Pferd möglichst wenig Stress auszusetzen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass neben ACTH und Cortisol noch weitere Stresshormone ausgeschüttet werden, was kontraproduktiv wäre und den Hormonhaushalt zusätzlich durcheinanderbringen würde. Von Bedeutung sind außerdem eine regelmäßige und sorgsame Fell- und Hufpflege. Wunden sollten schnellstmöglich versorgt werden, um Infektionen vorzubeugen. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass die Pferdebox sauber und mit ausreichend trockener Einstreu versehen ist, gerade wenn das Pferd häufig Wasser lassen muss. Ausmisten steht daher täglich auf dem Programm.
Darf ein Pferd mit Cushing-Syndrom auf die Weide?
Pferde mit Cushing-Syndrom auf die Weide zu schicken, ist mit einigen Risiken verbunden. Tiere mit Insulinresistenz, die oft gemeinsam mit ECS auftritt, reagieren empfindlich auf Zucker und demzufolge auf Gräser, die Zuckermoleküle in Form von Fruktanen erhalten. Da eine Insulinresistenz Hufrehe begünstigt, können die Folgen weitreichend sein. Am sichersten ist, das Tier gar nicht auf die Weide zu schicken. Wer sich dazu nicht durchringen kann, fährt gut damit, die Weidezeiten einzuschränken und Flächen zu wählen, die fruktan- und fettarme Gräser aufweisen. Hilfreich ist es auch, das Pferd vorab mit Heu zu füttern, damit es schon etwas gesättigt ist und auf der Weide nicht mehr so viel frisst. Generell sollte eine restriktive Ernährung mit Gräsern und Heu, die niedrige Energiewerte aufweisen, über allem stehen.
Wie wahrscheinlich ist es, dass mein Pferd an Cushing erkrankt?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Cushing ist eine typische Alterskrankheit bei Pferden. Das Risiko zu erkranken, steigt quasi mit jedem Lebensjahr. Allerdings spielen auch die Haltebedingungen und die Fütterung eine Rolle. Hat das Pferd regelmäßig Bewegung, wird art- und bedarfsgerecht gefüttert, gehalten und versorgt, kann sich das Risiko, an Cushing zu erkranken, reduzieren.