Als Wobbler-Syndrom bezeichnet man eine neurologische Erkrankung bei Pferden, die sich in Bewegungs- und Koordinationsstörungen äußert. Sie tritt auch bei Hunden auf und wurde erstmals im Jahr 1967 bei einem Basset Hound beschrieben. Die Ursachen für das Wobbler-Syndrom sind vielfältig. Grundlegend sind Nervenschädigungen im Bereich des Rückenmarks oder der Halswirbelsäule. Diese können wiederum durch Traumata, Quetschungen, Bandscheibenvorfälle oder Infektionen hervorgerufen werden. Beeinflusst wird die Entstehung von weiteren Faktoren wie genetischen Prädispositionen und der Ernährung.
Das Wobbler-Syndrom ist eine ernstzunehmende Erkrankung, da es die motorischen Fähigkeiten eines Pferds stark beeinträchtigen kann. Das wirkt sich nicht nur negativ auf dessen Lebensqualität aus, sondern erhöht auch das Verletzungsrisiko, so dass das Pferd im schlimmsten Fall eine Gefahr für sich und andere darstellt. Eine frühe Erkennung und Behandlung sind entscheidend, um das Fortschreiten der Krankheit zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Wir geben einen Überblick über die Entstehung und Symptomatik des Wobbler-Syndroms und erklären, welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden können.
Was ist das Wobbler-Syndrom beim Pferd?
Das Wobbler-Syndrom, im Deutschen auch „Wackelkrankheit“ genannt, ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für spinale Ataxie, eine neurodegenerative Erkrankung, die die Wirbelsäule betrifft. Der Begriff leitet sich aus dem englischen Verb to wobble oder dem altdeutschen wobbeln ab, was beides so viel wie „schwanken“ oder „wackeln“ bedeutet. Darauf bezieht sich auch der Fachterminus Ataxie (griech. ataxia „Unordnung, Unregelmäßigkeit“), unter dem Störungen der Bewegungskoordination aufgrund von Schädigungen des zentralen Nervensystems zusammengefasst werden.
Die Erkrankung ist nicht auf eine Beeinträchtigung des Bewegungsapparates zurückzuführen, sondern basiert auf einer gestörten Reizweiterleitung und ist somit rein neurologisch bedingt. Genau gekommen ist die spinale Ataxie gar keine Erkrankung, sondern ein Symptomkomplex, der durch Schäden im Bereich des Rückenmarks oder der Rückenmarksnerven in der Halswirbelsäule hervorgerufen wird. Dementsprechend handelt es sich eher um einen Sammelbegriff für verschiedene zugrundeliegende Erkrankungen.
Ursachen des Equinen Wobbler-Syndroms
Equines Wobbler-Syndrom lautet die Bezeichnung für spinale Ataxie bei Pferden. Sie wird in Abgrenzung zum Caninen Wobbler-Syndrom verwendet, das bei Hunden auftritt. Allerdings gibt es zwischen beiden sehr viele Parallelen, sei es in Bezug auf die Entstehung oder Symptomatik. Das Wobbler-Syndrom resultiert aus Nervenschäden, die wiederum vielfältige Ursachen haben können. Dazu gehören:
- Verletzungen: Das Wobbler-Syndrom kann durch eine Wirbelsäulenverletzung infolge eines Unfalls oder Sturzes entstehen. Auch Frakturen, Prellungen und Quetschungen sowie damit einhergehende Blutergüsse im Bereich des Rückenmarks oder der Halswirbelsäule (Verengung des Wirbelkanals und Kompression der Nervenbahnen) können Auslöser sein.
- Zu schnelles Wachstum: Bei jungen Pferden mit schnellen und massiven Wachstumsschüben besteht das Risiko, dass sich der Nervenkanal in der Wirbelsäule verengt. Das betrifft vor allem große Rassen. In dem Fall kann das Wobbler-Syndrom schon ab dem ersten Lebensjahr auftreten, sich aber auch wieder zurückbilden.
- Durch Trauma verursachte Wachstumsstörungen: Es kann auch sein, dass ein Trauma bei jungen Pferden Wachstumsstörungen hervorruft. Wird die Halswirbelsäule durch Überschläge beim Spielen überdehnt, kann das zu Defekten und Fehlentwicklungen an den knöchernen Wirbeln sowie zu einer Verengung des Wirbelkanals führen, was letztlich das Halsmark schädigt.
- Bandscheibenvorfall: Bandscheibenvorfälle, die eine Schädigung des Rückenmarks zur Folge haben, können ebenfalls eine mögliche Ursache für das Wobbler-Syndrom sein. Hiervon sind tendenziell ältere Pferde betroffen.
- Arthrose: Das Wobbler-Syndrom kann auch durch arthrotische Veränderungen an den Halswirbelgelenken entstehen, etwa dann, wenn die Gelenke aufgrund der Erkrankung anschwellen und die Nervenbahnen gequetscht werden. Dieser Fall tritt ebenfalls eher bei älteren Pferden auf.
- Infektion: Bei Infektionen mit dem Equinen Herpesvirus 1 (EHV 1) oder mit Bornaviren (Bornasche Krankheit) kann das Wobbler-Syndrom eine Spätfolge sein.
- Myeloenzephalopathie: Dabei handelt es sich um eine Erkrankung des Rückenmarks und umgehender Häute, die einen Rückgang der Nervenfasern zur Folge hat. Sie kann parasitär verursacht, aber auch erblich bedingt sein.
Neben genetischen Faktoren können Fehl- und Mangelernährung während der Trächtigkeit (Unter- wie Übergewicht) Auswirkungen darauf haben, ob sich das Wobbler-Syndrom bei Pferden ausbildet. Ungünstig sind Kombinationen mehrerer Faktoren. Hat ein Pferd beispielsweise eine genetische Disposition für Schnellwüchsigkeit, wird es überfüttert oder mangelhaft ernährt, so dass sich der Knochenstoffwechsel verändert, und ist es zudem einer ständigen Überlastung ausgesetzt, kann das letztlich zur Entstehung des Wobbler-Syndroms führen.
Symptome des Wobbler-Syndroms im Überblick
Hauptsymptome des Wobbler-Syndroms bei Pferden sind Koordinationsstörungen und eingeschränkte motorische Fähigkeiten, die sich auf mehrerlei Weise bemerkbar machen können:
- Unsicherer und staksiger Gang
- Schwierigkeiten bei der Bewegungskoordination auf dem Zirkel
- Probleme beim Rückwärtsgehen (mit und ohne Führung)
- Wechsel vom Schritt in den Pass
- Probleme, in engen Wendungen den Takt zu halten
- In Kurven Ausfallschritte nach außen
- Schwanken von rechts nach links beim Bergablaufen
- Häufiges Stolpern und Stürzen
- Probleme, nach dem Aufstehen geradeaus zu gehen
- Hinterbeine schleifen mit Zehe über Boden
- Probleme, die Hinterhand zu beugen
Weitere neurologische Ausfallerscheinungen können sich in einem schlaff herabhängenden Schweif oder Schwierigkeiten beim Urinieren äußern.
Zur Diagnose des Wobbler-Syndroms beim Pferd
Das Wobbler-Syndrom im Frühstadium zu diagnostizieren, birgt Fallstricke, denn die Symptome sind noch so gering ausgeprägt, dass man auch auf Lahmheit statt auf eine spinale Ataxie schließen könnte. Das ist problematisch, weil eine frühzeitige Erkennung des Wobbler-Syndroms für bessere Behandlungschancen sehr wichtig ist. Liegt der Verdacht einer spinalen Ataxie vor, wird zur Diagnostik ein Röntgenbild von der Halswirbelsäule erstellt. Um sie in ihrer gesamten Länge und in gebeugter und gestreckter Position abzubilden, sind üblicherweise mehrere Aufnahmen erforderlich.
Da beim Röntgen nur knöcherne Strukturen sichtbar gemacht werden können, ist es für eine sichere Diagnose meist nötig, dem Tier ein Kontrastmittel zu verabreichen. Auf diese Weise können auch Veränderungen an Weichteilen und damit einhergehende Einengungen im Wirbelkanal erkannt werden. Hilft das Röntgen mit Kontrastmittel im Hinblick auf die Diagnose nicht weiter, können gegebenenfalls Blutuntersuchungen und Gehirnwasseruntersuchungen vorgenommen werden.
Wobbler-Syndrom behandeln: Therapeutische Maßnahmen
Ob das Wobbler-Syndrom heilbar ist, hängt vom Alter des Pferdes und vom Schweregrad der Erkrankung ab. Generell lässt sich sagen, dass jüngere Tiere oft eine bessere Chance auf Heilung haben, sofern die spinale Ataxie rechtzeitig diagnostiziert und richtig behandelt wird. Bei älteren Pferden stehen die Heilungschancen schlechter. Mithilfe geeigneter Maßnahmen können die Symptome zumindest gemildert werden. Eine Standardbehandlung gibt es nicht. Vielmehr orientiert man sich bei der Therapie an der zugrundeliegenden Ursache.
- Bewegungstherapie: Physio- und Bewegungstherapie können dem Pferd dabei helfen, seine Bewegungsabläufe zu verbessern und mehr Kontrolle über seinen Körper zurückzugewinnen. Unterstützen können Rotlicht- und Infrarotbestrahlung, Vibrationstherapie sowie Massagen, Taping und Bandagen. Auch Koordinationsübungen sind für die meisten betroffenen Pferde hilfreich.
- Medikamente: Abschwellende und entzündungshemmende Medikamente sorgen dafür, dass der Druck auf den Wirbelkanal verringert und Entzündungsherde eingedämmt werden. Das verschafft dem Pferd zunächst einmal Linderung. Allerdings muss man wissen, dass Medikamente nicht die Ursache beseitigen, sondern lediglich Symptome mildern. Ein Rückfall in die alte Symptomatik ist möglich.
- Operation: Eine dauerhafte Symptomlosigkeit kann nur durch einen chirurgischen Eingriff erreicht werden. Hier gibt es zwei Varianten: Entweder wird ein Teil der Einengung des Wirbelkanals entfernt, um dem Rückenmark wieder mehr Platz zu verschaffen, oder es werden die betroffenen Wirbelkörper durch das Einsetzen von Stahl- oder Knochenplatten stabilisiert und versteift, um das Halsmark zu entlasten.
- Ernährung: Mit der richtigen Fütterung kann man vom Wobbler-Syndrom betroffene Pferde bei der Regeneration unterstützen. Dazu gehört zunächst einmal eine ausreichende Versorgung mit Heu. Das Pferd sollte die Möglichkeit haben, auf die Weide zu gehen. Ebenfalls hilfreich kann die Zugabe von B-Vitaminen sein, da diese zum Erhalt eines normalen Nervensystems beitragen können. Mineralstoffe wie Magnesium und Mangan sollten ebenfalls nicht fehlen. Wichtig ist, weder über- noch unterzudosieren, um das Pferd mit allen Nährstoffen, die es braucht, bedarfsgerecht zu versorgen.
Das Wobbler-Syndrom entsteht als Folge von beschädigtem Nervengewebe und dieses kann sich nur eingeschränkt regenerieren. Zwar ist der Körper in der Lage, durch gezielte Bewegungsprogramme neue Nervenfasern zu bilden und die Aufgaben geschädigter Nerven auf benachbarte gesunde Nerven zu verteilen, um Ausfälle zu kompensieren, aber nur in begrenztem Maß. Für eine dauerhafte Rehabilitation kommt man um eine Operation nicht herum. Eine Pferde-OP-Versicherung oder Pferdekrankenversicherung ist in solchen Fällen eine große Hilfe, da sie vor hohen Kosten schützt, die mit medizinischen Behandlungen einhergehen.
Fazit
Ist das Wobbler-Syndrom bei einem Pferd diagnostiziert, kann das für Halterinnen und Halter beängstigend sein. Je älter das Tier und je fortgeschrittener der Verlauf, desto schwieriger ist es, eine vollständige Heilung zu erzielen. Es existieren jedoch vielfältige Behandlungsmöglichkeiten und Strategien, um mit der Erkrankung umzugehen. Manuelle Therapien und Bewegungsprogramme können durchaus eine Verbesserung bewirken, wobei eine Operation für den dauerhaften Erfolg meist der bessere Weg ist. Man kann viel tun, um dem Pferd zu helfen, deswegen muss die Diagnose spinale Ataxie nicht automatisch bedeuten, dass keine Regeneration mehr möglich ist.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Wobbler-Syndrom beim Pferd
Bei welchen Pferden tritt das Wobbler-Syndrom auf?
Das Wobbler-Syndrom tritt vorrangig bei Vollblütern (Araber), Quarter Horses und großen Warmblütern auf. Junge Pferde und insbesondere junge Hengste sind häufiger betroffen als junge Stuten und ältere Pferde.
Ist das Wobbler-Syndrom vererbbar?
Das ist noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch erbliche Veranlagungen, die die Entstehung des Wobbler-Syndroms begünstigen. Dazu zählt beispielsweise ein schnelles und massives Körperwachstum.
Ist das Wobbler-Syndrom meldepflichtig?
Nein, eine Diagnose mit spinaler Ataxie muss nicht gemeldet werden.
Können Pferde, die am Wobbler-Syndrom erkrankt sind und operiert wurden, wieder für den Profisport eingesetzt werden?
Es gibt durchaus positive Fälle, in denen betroffene Tiere nach einer Operation wieder als Reitpferde eingesetzt wurden und auch an Turnieren teilnehmen konnten. Sie machen jedoch nicht die Mehrheit aus. Die Wahrscheinlichkeit, den Reitsport nach einer Erkrankung wieder aufnehmen zu können, hängt vom Verlauf der Operation und vom Schweregrad der Erkrankung ab. Je schwächer die neurologischen Ausfallerscheinungen sind und je früher sie erkannt und behandelt werden, desto besser stehen die Chancen auf einen langfristigen Therapieerfolg.