Arzt zeigt jungem Mann Röntgenbild einer Pferdehufe.
Tiergesundheit

Ausschuhen beim Pferd: Ein schwerwiegender Befund

02.05.2024

Wird beim Pferd das Ausschuhen festgestellt, ist das für Halter und Halterinnen zunächst einmal ein Schock. Es bedeutet, dass das Pferd nicht nur einen Leidensweg hinter sich hat, sondern dass ihm noch ein langer Leidensweg bevorsteht. Als Ausschuhen bezeichnet man das vollständige Ablösen der Hufkapsel. Beim Menschen entspricht das dem Verlust der Finger- oder Zehennägel – allerdings ist die Belastung für ein Pferd beim Ausschuhen ungleich höher. Ohne Kapsel ist der Huf als Zehenendorgan vollkommen ungeschützt. Dementsprechend sind das Laufen und Stehen mit großen Schmerzen verbunden. Das Ausschuhen beim Pferd ist ein ernster Befund und kann das Todesurteil bedeuten. Wir erklären, was genau dabei passiert und welche Ursachen zugrunde liegen. 

Was passiert beim Ausschuhen?

Gesunde Hufe sind für ein Pferd von elementarer Bedeutung. Sie tragen das Gewicht des Tieres und federn beim Laufen und Springen Stöße ab, um die Gelenke zu schonen. Im Wesentlichen besteht ein Pferdehuf aus einer Hornkapsel, mehreren Lederhäuten und Polstern, einem dermalen Gefäß- und Nervensystem und dem Hufbein. Bei einem gesunden Huf ist die Hornkapsel glatt und rundum geschlossen. Sie bildet die Oberhaut und schützt die darunterliegenden Strukturen vor äußeren Einflüssen. In der Hornkapsel ist das Hufbein „aufgehängt“, als ob es in einem Schuh sitzen würde. Die Verbindung zwischen Hufbein und Hufkapsel wird durch Hautplättchen bzw. Lamellen hergestellt, die komplexe und belastbare Strukturen bilden. In ihrer Gesamtheit werden diese Strukturen als Hufbeinträger bezeichnet. Beim Ausschuhen lockern sich diese Strukturen und infolgedessen die Verbindung von Hufbein und Hufkapsel – und zwar so weit, dass sich die Hufkapsel vollständig ablöst und ihre biomechanischen Aufgaben und Schutzfunktionen nicht mehr erfüllen kann.

Ursachen für das Ausschuhen beim Pferd

Das Ausschuhen beim Pferd tritt infolge einer Entzündung am Huf auf. Auslöser ist ein entzündungsbedingtes Ödem, also eine Flüssigkeitsansammlung, die die Strukturen des Hufbeinträgers beschädigt. Dadurch lockert sich der Festhalteapparat und die Hufkapsel löst sich. Solche Prozesse werden bei Pferden hauptsächlich durch Hufrehe verursacht. Als Hufrehe bezeichnet man eine aseptische Entzündung der Huflederhaut. Die Lederhaut schwillt dabei so stark an (Ödembildung durch austretende Gewebsflüssigkeit), dass das Blut im Huf nicht mehr richtig zirkuliert, was sich wiederum negativ auf die Nährstoffversorgung auswirkt. Da sich die Schwellung in der Hornkapsel nicht ausdehnen kann, entsteht ein starker Druck, der für das Pferd sehr schmerzhaft ist. Die Ursachen für Hufrehe können vielfältig sein:

  • Falsche Fütterung: Zuviel Stärke und Zucker im Futter sowie die Aufnahme von Fruktan, das natürlicherweise in Gras und Heu enthalten ist, können dazu führen, dass der Körper übersäuert. Das hat zur Folge, dass nützliche Darmbakterien absterben und Giftstoffe nicht mehr abgeführt werden, sondern über die Blutbahn zum Huf gelangen und die Entstehung von Entzündungen begünstigen.
  • Übermäßige Belastung: Eine dauerhaft übermäßige Belastung und Fehlbelastung, beispielsweise durch übersteigertes Training oder Übungen auf ungeeignetem Untergrund, kann zu Schäden an den Hufstrukturen und letztlich zu Hufrehe führen.
  • Vergiftung: Giftstoffe, die nicht abgebaut werden, haben ebenfalls das Potenzial, Hufrehe auszulösen. Das können Toxine in Giftpflanzen oder Medikamenten sein oder auch Schimmel, Pestizide und andere Umweltgifte.
  • Equines Cushing Syndrom: Das Equine Cushing Syndrom (ECS) ist eine Hormonstörung, die auf eine Fehlfunktion der Hirnanhangdrüse zurückzuführen ist. Betroffenen Pferden fehlt der Botenstoff Dopamin, der benötigt wird, um die Produktion des Hormons ACTH zu regeln. ACTH ist wiederum für die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol zuständig. Da die Dopamin-Bremse fehlt, wird es stetig weiterproduziert, sodass der Cortisol-Spiegel konstant hoch ist. Das wirkt sich auf viele Mechanismen im Körper aus, sei es der Stoffwechsel oder Blutzuckerspiegel, und hat Durchblutungsstörungen zur Folge, die Hufrehe begünstigen können. 
  • Equines Metabolisches Syndrom: Das Equine Metabolische Syndrom (EMS) ist wie Cushing eine Stoffwechselstörung, bei der zu viel Insulin produziert wird. Der Blutzuckerspiegel bleibt daher auf einem konstant hohen Level, was wiederum zu Übersäuerung und Durchblutungsstörungen führt. 

Es gibt noch eine Reihe weiterer Faktoren, die Ursache für Hufrehe können, sei es Übergewicht oder eine falsche Hufbearbeitung. Der Verlauf der Erkrankung erfolgt in vier Stadien, von denen das Ausschuhen das Endstadium bildet. 

Um zu verhindern, dass es so weit kommt, sollte bereits bei den ersten Anzeichen von Hufrehe umgehend gehandelt und ärztlicher Rat eingeholt werden. Je schneller die Erkrankung erkannt wird, desto besser. Wie die Therapie konkret aussieht, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Es muss sowohl die Ursache ausfindig gemacht und behoben werden als auch die Entzündung eingedämmt werden. Eine Pferdekrankenversicherung ist in solchen Fällen eine große Hilfe. Sie deckt die Kosten, die durch Diagnostik, Medikamente, Therapiemaßnahmen und dergleichen entstehen, und schützt Halterinnen und Halter dadurch vor finanzieller Belastung. 

Ausschuhen beim Pferd behandeln

Das Ausschuhen beim Pferd zu behandeln, ist eine äußerst schwierige Angelegenheit, da damit eine erhebliche und eigentlich unzumutbare Belastung für das Pferd einhergeht. Theoretisch ist eine Heilung möglich, denn die Hufkapsel kann nachwachsen. Zum Schutz vor Infektionen müssen dann regelmäßig antiseptische Verbände angelegt werden. Das Nachwachsen dauert allerdings sehr lange. Die Hornbildungsrate reicht von 4 mm (Islandpferde, Vollblüter) bis hin zu 14 mm pro Monat. Man geht daher von einem Durchschnittswert von 8 mm pro Monat aus. Bis sich das Hufhorn vollständig erneuert hat, kann es ein Jahr oder sogar bis zu zwei Jahre dauern.

Das große Problem daran ist, dass das Pferd während dieser Zeit kaum stehen oder laufen darf. Stattdessen muss es vorrangig liegen oder hängend positioniert werden, um die Hufe nicht zu belasten. Für ein Lauftier, das von Natur aus einen großen Bewegungsdrang hat, ist das alles andere als artgerecht. Das Risiko, dass das Pferd mit weiteren Erkrankungen reagiert und infolgedessen verstirbt, ist groß. Und es gibt noch ein Problem: Der Heilungserfolg ist ungewiss. Ähnlich wie bei Finger- oder Zehennägeln beim Menschen kann es passieren, dass die Hornkapsel deformiert nachwächst und neue Schwierigkeiten verursacht. Das Pferd einem langen Leidensweg aussetzen zu müssen, ist jedoch der Hauptgrund, weshalb Tierärzte und Tierärztinnen häufig dazu raten, das Tier zu erlösen. 

Fazit

Das Ausschuhen beim Pferd stellt Halter und Halterinnen vor eine schwere Entscheidung. Sie müssen abwägen, was sie ihrem Tier und sich selbst zumuten möchten – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Wenn es um das Wohl des Pferdes geht, ist am Ende jeder Schritt gerechtfertigt, auch wenn es bis zum Äußersten geht. Am besten ist es, gar nicht erst in diese Situation zu kommen. Regelmäßige veterinärmedizinische Untersuchungen, eine gute Pflege und eine artgerechte Haltung mit viel Bewegung und hochwertigem Futter können dazu beitragen, das Risiko für Hufrehe zu minimieren. Zwar lassen sich nicht alle Auslöser durch Prävention kontrollieren, die Gefahr einer Erkrankung ist jedoch geringer.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Ausschuhen beim Pferd

Bei welchen Tieren gibt es das Ausschuhen noch?

Das Ausschuhen kann nicht nur bei Pferden, sondern bei Huftieren im Allgemeinen auftreten, also bei Paarhufern und Unpaarhufern. Pferde zählen zu den Unpaarhufern, genauso wie Esel und Zebras. Ihre Zehenendorgane werden als Hufe bezeichnet. Bei Paarhufern, zu denen unter anderem Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine gehören, heißen die Zehenendorgane Klauen. Hier kann das Ausschuhen durch Maul- und Klauenseuche hervorgerufen werden.

Bedeutet das Ausschuhen automatisch, das Pferd einschläfern zu müssen?

Nein, es wird gemeinsam mit dem Tierarzt oder der Tierärztin besprochen, welche Wege gegangen werden können, was das für das Pferd bedeutet und welche Heilungschancen bestehen. Allerdings ist es sinnvoll, sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen. Ist der Leidensdruck dem Tier nicht zumutbar, ist Einschläfern die beste Lösung.  

Welche Symptome zeigen Pferde mit Hufrehe?

Mögliche Symptome von Hufrehe sind: 

  • Lahmheit, insbesondere beim Gehen auf hartem Untergrund oder im Kreis 
  • warme bis heiße Hufwand
  • starkes Pulsieren in den Hufen
  • Schwierigkeiten beim Aufstehen
  • Veränderung der Hufstellung
  • Veränderungen im Gangbild

Pferde zeigen oft auch Anzeichen von Stress oder Schmerz.

Wie wird Hufrehe behandelt?

Die Behandlung von Hufrehe umfasst in der Regel die Verabreichung entzündungshemmender Medikamente, eine spezielle Hufpflege, einen speziellen Hufbeschlag, die Anpassung der Fütterung und unter Umständen chirurgische Eingriffe. Wichtig ist eine schnelle Behandlung, um eine Verschlechterung des Zustands zu verhindern.

Auch interessant