Arzt untersucht Pferd auf Ataxie
Tiergesundheit

Ataxie beim Pferd: Wenn die Koordination nicht mehr klappt

02.05.2024

Als Ataxie bezeichnet man Bewegungsstörungen beim Pferd, die auf eine Erkrankung des zentralen Nervensystems zurückzuführen sind. Das Tier ist nicht in der Lage, seine Gliedmaßen sicher zu koordinieren, was sich unter anderem in einem unsauberen Gangbild, Gleichgewichtsstörungen, Taumeln und Schwanken bemerkbar machen kann. Welche Auswirkungen die Krankheit für das Pferd hat, hängt von der Form der Ataxie, dem Schweregrad und dem Auslöser ab. Wir geben einen Überblick über Ausprägungen, Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten.

Formen der Ataxie beim Pferd

Als Ataxie (von griech. ataxia „Unordnung, Unregelmäßigkeit“) bezeichnet man einen Symptomkomplex, der Bewegungs- und Koordinationsstörungen umfasst und neurologisch bedingt ist. Das heißt, die Symptome treten infolge von Beschädigungen an Nervenfasern auf, die wiederum verschiedene Ursachen haben können. Betroffen ist das zentrale Nervensystem (ZNS), das aus Gehirn und Rückenmark besteht. Beide Komponenten sind für die Reizweiterleitung im Körper zuständig. Ist ein Teil des Nervengewebes beschädigt, kann es keine Impulse mehr an die Muskeln oder das Gehirn weiterleiten. Dadurch kommt es zu Beeinträchtigungen und Störungen im Bewegungsablauf und in der Koordination. Abhängig davon, an welcher Stelle des ZNS der Nervenschaden zu verorten ist, werden drei Formen der Ataxie differenziert:

  • Zerebelläre Ataxie: Bei der zerebellären Ataxie liegt eine Schädigung des Kleinhirns vor. Die Bewegungsstörungen sind beim Gehen und Stehen erkennbar.
  • Zerebrale Ataxie: Bei der zerebralen Ataxie sind Großhirn, Zwischenhirn und Mittelhirn des Pferds betroffen. Die Symptome zeigen sich ebenfalls im Stehen und Gehen.
  • Spinale Ataxie: Die spinale Ataxie tritt bei Pferden am häufigsten auf. Hier ist das Rückenmark (Halswirbelsäule) betroffen. Eine verbreitete Ausprägung der spinalen Ataxie ist das Wobbler-Syndrom.

Zerebelläre, zerebrale und spinale Ataxie können jeweils auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein, von denen wiederum abhängt, ob eine Behandlung möglich ist.

Ursachen für Ataxie bei Pferden

Ataktische Störungen beim Pferd können auf unterschiedliche Erkrankungen hindeuten. Zu den möglichen Ursachen zählen:

  • Verletzungen: Frakturen und Traumata im Kopf-, Hals- und Rückenbereich können Schäden am zentralen Nervensystem verursachen und infolgedessen zu einer Ataxie führen. Eine spinale Ataxie kann beispielsweise entstehen, wenn sich das Pferd überschlägt und am Wirbelkanal verletzt. Gerade jungen Pferden kann das schnell passieren.
  • Infektionen: Virusbedingte und bakterielle Infektionen sind weitere mögliche Ursachen. So tritt bei einer Infektion mit dem Equinen Herpesvirus (EHV-1) häufig eine Ataxie der Hintergliedmaßen auf. Mit fortschreitendem Stadium wird das Pferd immer unkoordinierter. Auch das Equine Parvovirus und der bakterielle Erreger Borrelia burgdorferi stehen in Verdacht, Ataxie bei Pferden zu erzeugen. Virusinfektionen sind die häufigste Ursache für die zerebrale und zerebelläre Ataxie.
  • Degenerative Erkrankungen: Degenerative Erkrankungen wie Arthrose können Nervenschädigungen und Ataxie zur Folge haben. Wird die Knochensubstanz rissig, kann es im weiteren Verlauf zu arthritischen Veränderungen an den Wirbeln kommen, die Schwellungen verursachen und das Rückenmark verletzen. Vor allem die Halswirbelsäulenarthrose ist bei Pferden verbreitet.
  • Neoplasien: Neoplasien, also Neubildungen von Körpergewebe, können ebenfalls Nervenschäden und Ataxie zur Folge haben. Ein Beispiel für neoplastische Ansammlungen sind Tumore im Gehirn oder Rückenmark.
  • Vergiftung: Eine Ataxie kann auch im Zuge einer Vergiftung entstehen, beispielsweise durch die Aufnahme von Rattengift oder Giftpflanzen. Die enthaltenen Toxine können das Nervensystem angreifen, woraus Koordinations- und Bewegungsstörungen resultieren.
    Parasiten: Parasiten wie Palisadenwürmer (Strongyliden) sind eine weitere mögliche Ursache für Nervenschädigungen und Ataxie, wenn sie die Blut-Hirn-Schranke überwinden und sich im Gehirn ausbreiten.
  • Nährstoffunterversorgung: Ein schwerer Nährstoffmangel kann Erkrankungen wie die degenerative Myeloenzephalopathie auslösen. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung des Rückenmarks und Hirnstamms. Sie tritt vor allem bei jüngeren Tieren auf, die keinen Zugang zu frischem Gras haben. Es wird vermutet, dass die Erkrankung mit einem Vitamin-E-Mangel zusammenhängt.
  • Genetische Faktoren: Erbliche und rassespezifische Einflüsse können die Entstehung von Ataxie begünstigen. So sind Oldenburger und Araber von der zerebellären Ataxie häufiger betroffen.

Da Ataxie auf zahlreiche Erkrankungen hindeuten kann, fällt es nicht leicht, die Ursache für die Bewegungsstörungen ausfindig zu machen.

Symptome eines ataktischen Pferdes

Ataxie ist ein Sammelbegriff für verschiedene Ausprägungen von Bewegungs- und Koordinationsstörungen. In dem Zusammenhang kann ein ataktisches Pferd folgende Auffälligkeiten zeigen:

  • ungleichmäßige und unkontrollierte Bewegungen im Schritt
  • stärkere Koordinationsschwierigkeiten im Trab
  • Wechsel vom Schritt in den Pass
  • Anheben der Hinterhand
  • starkes Aufsetzen der Beine auf den Boden (Stampfen)
  • beidseitiger Hahnentritt (Pferd zieht Hinterbeine ruckartig hoch und setzt sie unkontrolliert wieder auf den Boden)
  • starker Rechts- oder Linksdrang
  • Schwierigkeiten, geradeaus oder rückwärts zu gehen
  • Schwierigkeiten, den Huf zu geben
  • Schwierigkeiten, bergauf oder bergab zu laufen
  • Schwierigkeiten, auf wechselnden Untergründen zu laufen
  • Schwanken und Taumeln im Stand
  • Stürze

Neben Bewegungsstörungen können ataktische Pferde sensorische Störungen entwickeln. Manche Tiere reagieren beispielsweise atypisch (überempfindlich oder verzögert) auf Berührung, Schmerz und Temperatur. Auch Verhaltensänderungen wie Apathie, Schreckhaftigkeit oder übersteigerte Ängstlichkeit können eine Ataxie begleiten.

Ataxie beim Pferd diagnostizieren

Da Ataxie durch verschiedene Erkrankungen und Störungen ausgelöst werden kann, kann es dauern, bis die Ursache gefunden wird. Bei der Diagnose beginnen Tierärzte und Tierärztinnen üblicherweise mit einer ausführlichen Anamnese und untersuchen den Körper des Pferdes. Des Weiteren analysieren sie dessen Gangbild. Mithilfe einfacher neurologischer Tests (Rückwärtslaufen, auf engem Zirkel drehen) kann man einen Eindruck gewinnen, ob das Pferd Probleme mit der Koordination hat oder auffällige Bewegungen zeigt. Gegebenenfalls folgen weitere neurologische Untersuchungen. Es kann sein, dass bildgebende Verfahren wie eine Computertomographie, Magnetresonanztherapie, ein Röntgenbild oder ein Ultraschall erforderlich sind, um die Ursache der Ataxie ausfindig zu machen. Eventuell kommen Blut- und Nervenwasseruntersuchungen hinzu.

Es ist generell schwierig, neuronale Erkrankungen bei einem Pferd zu identifizieren. Zum einen erfordern manche Diagnosemaßnahmen eine Vollnarkose, die für das Tier je nach Gesundheitszustand Risiken mit sich bringt. Hier gilt es individuell abzuwägen, ob die Maßnahme wirklich durchgeführt werden muss. Zum anderen ergeben sich anatomisch bedingte Probleme. So kann man beispielsweise den Spinalkanal im Pferderücken bei bildgebenden Verfahren per se schlecht einsehen. Der Weg zur Diagnose kann daher lang sein. In dem Fall ist es gut, eine Pferdekrankenversicherung zu haben. Sie übernimmt die Kosten, die mit diagnostischen Verfahren und Behandlungsmaßnahmen einhergehen, so dass Halter und Halterinnen besser vor finanziellen Belastungen geschützt sind.

Was tun bei Ataxie? Therapiemöglichkeiten im Überblick

Eine Ataxie zu behandeln, bedeutet immer, die zugrundeliegende Ursache zu behandeln, denn Bewegungs- und Koordinationsstörungen sind nur Symptome. Sie drücken aus, dass etwas mit dem zentralen Nervensystem nicht stimmt. Je nach Erkrankung ist es möglich, Medikamente gegen Infektionen, Parasiten, Schwellungen oder Entzündungen zu geben. Liegt beispielsweise eine Arthrose vor, kann es hilfreich sein, dem Pferd Kortison zu verabreichen und ihm somit Linderung zu verschaffen. Schmerzmittel können ebenfalls Bestandteil der Medikation sein. In manchen Fällen empfiehlt sich auch ein chirurgischer Eingriff. Beim Wobbler-Syndrom ist es beispielsweise möglich, die Halswirbel operativ zu versteifen und das Halsmark auf diese Weise zu entlasten. Das hilft dabei, einer Verschlechterung der Ataxie entgegenzuwirken.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine spinale Ataxie meist gut therapierbar ist. Bei der zerebellären und zerebralen Ataxie gestaltet sich die Behandlung schwieriger. Auch bei erblich bedingter Ataxie, schweren Traumata und Tumoren stehen die Chancen auf Therapieerfolge eher schlecht. Wichtig zu wissen ist, dass sich zerstörtes Nervengewebe nur sehr eingeschränkt regenerieren kann. Daher ist eine vollständige Heilung oft nicht möglich. Es kommt stark auf das Ausmaß der Nervenschädigung an. Zwar können intakte, benachbarte Nervenfasern die Funktion geschädigter Nerven übernehmen, so dass sich der Ausfall kompensieren lässt – allerdings nur bis zu einem gewissen Grad.

Eine manuelle Therapie kann als Unterstützung sehr sinnvoll sein. Sie hilft dem Pferd dabei, seine Koordinationsfähigkeiten und Bewegungsabläufe zu verbessern und Muskulatur aufzubauen bzw. zu erhalten. Mögliche Therapieformen sind beispielsweise:

  • Physiotherapie
  • Bewegungstherapie
  • Vibrationstherapie
  • Wärmetherapie
  • Rotlicht- und Infrarotbestrahlung
  • Massage
  • Taping/Bandagen

Nicht zu vernachlässigen ist die richtige Fütterung, damit das Pferd mit allen Nährstoffen versorgt ist, die es braucht. Es sollte sichergestellt sein, dass es über sein Futter ausreichend B-Vitamine zu sich nimmt, da diese zu einer normalen Funktion des Nervensystems beitragen.

Fazit

Ataxie beim Pferd ist eine ernstzunehmende und komplexe Störung. Es ist wichtig, schon bei ersten Anzeichen tierärztlichen Rat einzuholen, denn verschlechtern sich die Bewegungs- und Koordinationsfähigkeiten weiter, kann das Tier für sich selbst und andere zur Gefahr werden. Zwar lässt sich nicht immer eine vollständige Heilung erreichen, durch eine geeignete Behandlung kann die Lebensqualität des Pferdes jedoch in vielen Fällen verbessert werden.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Thema Ataxie beim Pferd

Welche Bewegungsübungen eignen sich gut für Pferde mit Ataxie?

Bei ataktischen Pferden können Bodenrickarbeit, Bodenparcours und Koordinationsübungen mit Balance-Pads sehr effektiv sein.

Kann Ataxie bei Pferden vererbt werden??

Ja, einige Formen der Ataxie können genetisch bedingt und somit vererbbar sein. Deshalb ist es wichtig, die Zuchtgeschichte und den Gesundheitszustand der Elterntiere zu kennen und bei der Zuchtauswahl Vorsicht walten zu lassen.

Kann man ein Pferd mit Ataxie weiter reiten?

Ob ein ataktisches Pferd reitbar ist, hängt stark von der Ausprägung der Ataxie und vom gesundheitlichen Zustand des Tieres ab. In manchen Fällen gehört das Reiten zur Therapie dazu. Ist die Ataxie jedoch fortgeschritten und zeigt das Tier Anzeichen von Belastung, Stress und Schmerzen, ist unbedingt vom Reiten abzusehen.

Wie kann ich mein Pferd vor Ataxie schützen?

Präventive Maßnahmen umfassen eine gute Stallhygiene, regelmäßige Impfungen, eine ausgewogene Ernährung, die Vermeidung von Traumata und die sorgfältige Auswahl bei der Zucht, um genetisch bedingte Risiken zu minimieren. Allerdings kann ein Pferd nie vollumfänglich vor Ataxie geschützt werden.

Was sollte ich bei der Pflege eines ataktischen Pferdes vermeiden?

Zunächst einmal sind Situationen zu vermeiden, die das Pferd überfordern oder Stress verursachen könnten. Das Tier sollte keine körperlichen Aktivitäten ausüben, die über seine Fähigkeiten hinausgehen. Sinnvoll ist auch, die Gruppengröße und -zusammensetzung anzupassen, um Konflikte mit Artgenossen zu vermeiden. Ebenso ist darauf zu achten, die Umgebung für das Pferd sicher zu gestalten und Stolperfallen zu entfernen. Rutschfeste Bodenbeläge und eine angemessene Eingrenzung können sinnvoll sein.

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