Spätestens wenn die Dauer des Trockenreitens die Zeit des eigentlichen Trainings übersteigt, stellt sich die Frage nach dem Scheren eines Pferdes. Das ist oftmals ein heiß diskutierter Punkt unter Stallkollegen, bei dem es die verschiedensten Ansichten gibt.
Fest steht, dass in der freien Wildbahn niemand die Pferde schert. Sie benötigen, wenn sie den Witterungsverhältnissen ausgesetzt sind, in jedem Fall ihr Winterfell und das dichte Unterfell um sich gegen Kälte und Nässe zu schützen. Leben die Pferde das ganze Jahr im Offenstall und werden nicht gearbeitet, so kann es durchaus ratsam sein, vom Scheren abzusehen.
Warum sollte man Pferde scheren?
Werden Pferde regelmäßig geritten und fangen bereits nach kurzer Zeit an zu schwitzen, dann kann es zum Wohle und für die Gesundheit des Pferdes angebracht sein, sie ganz oder teilweise vom Winterfell zu befreien. Sind Pferde mit dickem Fell nach dem Reiten nämlich nass geschwitzt, benötigen sie oft lange Zeit, um wieder trocken zu werden. Die Gefahr, dass sie sich dabei erkälten, ist durchaus gegeben.
Komplett- und Teilschur
Grundsätzlich gibt es 2 Möglichkeiten des Scherens, entweder komplett oder nur mit einer Teilschur, bei der in gewissen Körperregionen (Hals, Rücken, Kruppe) das Winterfell belassen wird.
Teilschur-Arten:
- Beim Deckenschnitt bleibt das Fell am Kopf, an den Beinen und vom Widerrist bis zur Kruppe stehen. Dieser Schnitt ist für Pferde mit empfindlicher Lendengegend geeignet.
- Beim Hunter- oder Jagdschnitt bleiben nur Sattellage, Kopf und Beine ungeschoren. Das Pferd benötigt jedoch eine Decke.
- Der Rallyeschnitt eignet sich auch für dicke Pferde, die schnell ins Schwitzen kommen. Der Streifen verläuft von der Halsunterseite über Brust und Bauch bis zur Hinterhand. Pferde mit Streifenschnitt benötigen keine Decke.
Gerade wenn die Pferde im Winter auf die Weide dürfen oder ins Gelände gehen, bietet sich die Teilschur an. Muster hierfür finden sich im Internet, Fachmagazinen oder Büchern.
„Wir scheren unsere Pferde, die ein dichtes Winterfell bekommen, mit einer Teilschur“, berichtet Ulrike Göddecke, Inhaberin der „Reitschule Göddecke“ in Grevenbroich. „Dadurch, dass wir den Rücken stehen lassen, haben die Pferde bei Ausritten oder in den Stunden auf dem Paddock noch Kälteschutz, ohne dass wir immer eindecken auflegen müssen. Dennoch schwitzen sie bei den Reitstunden nicht und das Erkältungsrisiko ist stark minimiert. Wir haben bei uns damit beste Erfahrungen gemacht.“
Wie soll ich mein Pferd scheren?
- Achte darauf, dass das Pferd im Vorfeld trocken und sauber ist.
- Gewöhne das Pferd vorsichtig an das ungewohnte Geräusch und die Berührung mit der Schermaschine.
- Die Schermaschine muss über scharfe Scherblätter verfügen und immer wieder geölt werden, damit sie gleichmäßig läuft und nicht zu heiß wird.
- Geschoren wird immer gegen den Fellstrich, die Scherbahnen sollten sich leicht überschneiden und Tasthaare sowie das Innenohr dürfen keinesfalls geschoren werden – dies ist tierschutzwidrig.
- Decke nach dem Scheren das Pferd mit einer geeigneten Winterdecke ein. Achte dabei darauf, dass du geeignete Outdoor-Decken verwendest, wenn du dein geschorenes Pferd auch im Winter auf die Weide oder in den Paddock lässt.
Wann am besten das Pferd scheren?
Ende Oktober bis Anfang November ist die beste Zeit zum Scheren. Je nachdem, wie üppig das Fell gewachsen ist, schneiden manche Reiter:innen im Januar oder Februar nach. Das Scheren sollte erst beginnen, wenn das Winterfell vollständig ausgebildet ist und das Pferd beim Reiten deutlich mehr schwitzt als sonst. Üblicherweise ist dies Ende Oktober der Fall. Nach dem ersten Scheren ist ein regelmäßiges Nachscheren des Fells erforderlich. Das Scheren ist jedoch keine reine Winterangelegenheit: Bei vielen älteren Pferden empfiehlt sich eine Frühjahres- und Sommerschur.
Pferde verlieren ihr Winterfell oft nicht mehr richtig. Bei hohen Temperaturen schwitzen sie dann zu stark und werden schlapp. Pferdebesitzer:innen haben dann die Wahl zwischen verschiedenen Haarschnitten – passend zum jeweiligen Pferd.
Pferde mit Equinem Cushing-Syndrom leiden bei hohen Temperaturen übrigens unter ihrem dichten Fell. Wenn ältere Pferde und Cushing-Patienten weniger Fell mit sich herumschleppen müssen, ist das besser für den Kreislauf.