Ohruntersuchung beim Hund, um das Vestibularsyndrom zu diagnostizieren.
Tiergesundheit

Vestibularsyndrom beim Hund: Wenn das Gleichgewicht gestört ist

07.08.2025

Das Vestibularsyndrom gilt als häufigste neurologische Erkrankung bei Hunden und Katzen. Es handelt sich dabei um einen Symptomkomplex, der auf einer Störung des Gleichgewichtssinns basiert. Die Ursachen dafür können vielfältig sein und das Gleichgewichtsorgan im Innenohr oder das Zentralnervensystem betreffen. Die Symptome treten meist sehr plötzlich auf und erinnern an einen Schlaganfall: Oft wirken betroffene Hunde orientierungslos, schwanken, können den Kopf kaum gerade halten, schielen, zittern oder werden inkontinent. In unserem Artikel geben wir dir einen umfassenden Überblick über das Vestibularsyndrom und erklären dir, wie du deinen Hund bestmöglich unterstützen kannst, falls er daran erkrankt.

Was ist das Vestibularsyndrom?

Das Vestibularsyndrom beschreibt eine Summe von Symptomen, die mit einer Störung des Gleichgewichtsapparats einhergehen. Dieser besteht aus drei wesentlichen Komponenten, die miteinander zusammenspielen: dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr, den Augen und dem Gehirn. Die Sinneszellen in Innenohr, Augen und Körper sind über Nervenbahnen mit dem zentralen Nervensystem verbunden und übermitteln permanent Informationen über die räumliche Ausrichtung von Kopf und Rumpf. So kann der Hund wahrnehmen, ob, in welche Richtung und wie schnell er sich bewegt. Funktioniert der Gleichgewichtsapparat nicht richtig, ist das Tier nicht in der Lage, sich räumlich zu orientieren und sein Gleichgewicht zu finden. 

Wie entsteht das Vestibularsyndrom beim Hund?

Das Vestibularsyndrom beim Hund kann vielfältige Ursachen haben. Abhängig von der Lokalisation der Erkrankung werden zwei Formen unterschieden:

  • Zentrales Vestibularsyndrom (Gehirn): Das zentrale Vestibularsyndrom entsteht durch Läsionen, Gefäßveränderungen oder Durchblutungsstörungen im Gehirn bzw. im zentralen Nervensystem oder Hirnstamm. Zu solchen Veränderungen kann es beispielsweise infolge von Infektionen (Staupe-Virus) oder Entzündungen wie einer Enzephalitis kommen. 
  • Peripheres Vestibularsyndrom (Innenohr): Das periphere Vestibularsyndrom tritt häufiger auf als das zentrale Vestibularsyndrom. Es wird durch eine Schädigung oder Funktionsstörung des Gleichgewichtsorgans im Innenohr verursacht. Oft tritt diese Variante infolge einer Mittelohrentzündung auf, die dann auf das Innenohr übergeht. Auch Tumore oder Polypen können eine mögliche Ursache sein. 

Das periphere Vestibularsyndrom untergliedert sich nochmals in eine kongenitale und geriatrische bzw. idiopathische Form.

  • Kongenitales Vestibularsyndrom: Das kongenitale Vestibularsyndrom ist auf eine erblich bedingte Fehlbildung des Gleichgewichtsorgans zurückzuführen und tritt dementsprechend bereits bei Welpen auf. Grundsätzlich kommen angeborene Missbildungen jedoch selten vor.
  • Geriatrisches oder idiopathisches Vestibularsyndrom: Das geriatrische Vestibularsyndrom betrifft vor allem ältere Hunde größerer Rassen. Als Auslöser werden degenerative Prozesse im Innenohr wie Veränderungen des Lymphflusses und Durchblutungsstörungen diskutiert. Da die Ursachen in der Tiermedizin aber noch nicht hinreichend erforscht sind, ordnet man das geriatrische Vestibularsyndrom auch als idiopathisches Vestibularsyndrom ein, also als Erkrankung ohne bekannte Ursache.

Auch Nebenwirkungen von Medikamenten, Vergiftungen, Stoffwechsel- und hormonelle Erkrankungen (bspw. Schilddrüsenunterfunktion) können Ursachen für ein Vestibularsyndrom beim Hund sein. 

Typische Symptome des Vestibularsyndroms beim Hund

Die Symptome des Vestibularsyndroms variieren je nach Grunderkrankung. Trotzdem gibt es typische Anzeichen, die bei allen Formen auftreten können.

  • Gleichgewichts- und Koordinationsprobleme
  • Desorientierung
  • Unsicherer Gang, Wanken, Kreisbewegungen, Abdriften
  • Stolpern, Umfallen, Schwierigkeiten beim Aufstehen
  • Schiefhaltung des Kopfes, Kopfwackeln
  • Schielen, unkontrollierte Augenbewegungen, Augenzittern
  • Schwindel
  • Übelkeit und Erbrechen (meist als Folge des Schwindels)
  • Zittern
  • Inkontinenz

Die Symptome bei einem Vestibularsyndrom treten sehr plötzlich und meist einseitig auf. Aus diesem Grund verwechselt man sie als Laie schnell mit Schlaganfallsymptomen. Es gibt aber auch milde Verläufe. In dem Fall schaffen es betroffene Tiere, die Gleichgewichtsstörungen besser zu kompensieren, so dass die Symptome nicht so stark zutage treten.

Vestibularsyndrom beim Hund diagnostizieren und behandeln

Tierärztinnen und Tierärzte können aufgrund der Symptomatik relativ schnell erkennen, dass eine Störung des Gleichgewichtssinns vorliegt, zumal Schlaganfälle bei Hunden relativ selten vorkommen. Vor allem das Augenzittern und Schielen, die Schiefhaltung des Kopfes, Bewegungs- und Koordinationsprobleme sowie Erbrechen sind Anzeichen, die charakteristisch für das Vestibularsyndrom sind.

Zum Zweck der Diagnose wird der Tierarzt oder die Tierärztin zunächst eine Anamnese erstellen, um sich ein Bild über eventuell bestehende Vorerkrankungen zu machen. Dann folgt eine klinische Untersuchung. Mithilfe eines Otoskops werden der äußere Gehörgang und das Trommelfell begutachtet und auf Entzündungsanzeichen untersucht. Dem können sich neurologische Tests, bildgebende Verfahren (MRT, CT, Röntgen) und Bluttests anschließen. Ziel des Ganzen ist es, der Erkrankung auf die Spur zu kommen, die das Vestibularsyndrom auslöst.

Die Therapie beinhaltet eine Behandlung der Symptome und eine Behandlung der Grunderkrankung, sofern diese bestimmt werden kann. Um die Symptome zu lindern, werden mitunter Medikamente gegen Übelkeit (Antiemetika), Antibiotika oder Kortisonpräparate (bei Ohrenentzündungen), lymphfluss- oder durchblutungsfördernde Infusionen sowie Beruhigungsmittel verschrieben – je nachdem, woran der Hund leidet. 

Die Behandlungsaussichten hängen stark von der Grunderkrankung ab. Handelt es sich um ein zentrales Vestibularsyndrom, das durch einen Gehirntumor oder eine schwere Gehirnentzündung ausgelöst wird, stehen die Chancen auf Heilung mitunter sehr schlecht. Bei einem peripheren Vestibularsyndrom sind die Prognosen tendenziell besser. Die besten Erfolgsaussichten bestehen beim idiopathischen Vestibularsyndrom. Hier können die Symptome sogar ohne Behandlung innerhalb weniger Tage oder Wochen wieder verschwinden. 

Angesichts der großen Bandbreite möglicher Ursachen – von vorübergehenden, harmlosen Störungen bis hin zu schweren, lebensbedrohlichen Erkrankungen – ist eine tierärztliche Untersuchung enorm wichtig. Nur auf Basis einer sicheren Diagnose lässt sich eine passende Behandlung einleiten und das Risiko schwerer Verläufe reduzieren. Eine Hundekrankenversicherung schützt vor hohen Tierarztkosten und bietet im Ernstfall finanzielle Sicherheit.

Dein Hund hat das Vestibularsyndrom? So hilfst du ihm am besten

Wenn dein Hund am Vestibularsyndrom erkrankt ist, kannst du einiges tun, um seinen Alltag zu erleichtern und ihm wieder zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Denn eines ist klar: Die schlagartigen neurologischen Ausfälle machen nicht nur dir Angst, sondern auch deinem Vierbeiner. Deswegen ist es umso wichtiger, ihm Sicherheit und Geborgenheit zu geben.

Hier ein paar Tipps, wie du deinen Hund am besten unterstützt.

  • Umgebung sturz- und rutschsicher gestalten: Es kann jederzeit passieren, dass dein Hund aufgrund plötzlicher Gleichgewichtsstörungen stürzt oder sich stößt. Um Verletzungen zu vermeiden, solltest du die Umgebung mit rutschfesten Unterlagen und weichen Liegeflächen ausstatten und idealerweise auch eingrenzen, so dass sich dein Vierbeiner nicht überallhin bewegen darf. Futter- und Wassernapf sollten gut erreichbar sein.
  • Ruhige Atmosphäre schaffen: Hunde, die an Schwindel und Desorientierung leiden, sind häufig sehr unruhig. Deswegen ist es umso wichtiger, eine stressfreie und ruhige Atmosphäre zu schaffen. Dazu kannst du beispielsweise den Raum etwas abdunkeln, damit das Gehirn weniger Reize verarbeiten muss. In völliger Dunkelheit kann der Schwindel jedoch zunehmen, hier empfiehlt sich ein kleines Nachtlicht, das der Hund gegebenenfalls fixieren kann. 
  • Höhe vermeiden: Dein Hund sollte sich nach Möglichkeit immer auf dem Boden aufhalten – nicht auf erhöhten Positionen wie auf dem Sofa. Treppensteigen sollte er auf keinen Fall. Sonst kann es zu schlimmen Stürzen kommen, wenn er das Gleichgewicht verliert.
  • Hilfestellung beim Gehen: Sollte dein Hund beim Aufstehen oder Laufen Schwierigkeiten haben, unterstütze ihn mit einem Hundegeschirr oder halte ihn mit einem Handtuch unter dem Bauch fest, damit er nicht umfällt.
  • Rollwagen: In der Anfangszeit kann ein Rollwagen sehr hilfreich sein. Dieser gibt dem Hund die Möglichkeit, sich zu bewegen, und verhindert gleichzeitig, dass er im Gehen oder Stehen umkippt, wenn es plötzlich zu einem neurologischen Ausfall kommt.
  • Druckentlastend lagern: In Extremfällen kann es sein, dass sich ein Hund mit Vestibularsyndrom festliegt und gar nicht mehr hochkommt. Dann muss er druckentlastend gelagert werden, etwa auf einem orthopädischen Hundebett. Auch das regelmäßige Umlagern ist wichtig, damit er sich nicht wundliegt.
  • Liebe und Nähe: Liebe und Nähe sind das, was dein Hund am meisten von dir braucht. Lass ihn nicht alleine und zeig ihm, dass du für ihn da bist. Kontaktliegen ist dafür eine schöne Möglichkeit, denn nicht jedes Tier mag es, dauerhaft gestreichelt zu werden. So findet dein Hund Halt in dir und kann besser mit der Situation umgehen.

Begleitend zur konservativen Behandlung empfiehlt sich übrigens eine Physiotherapie. Sie kann dem Hund dabei helfen, sein Koordinationsvermögen zu stärken, sein Gleichgewichtsgefühl zu verbessern und in seinen Bewegungsabläufen sicherer zu werden. 

Fazit

Das Vestibularsyndrom wird durch einen gestörten Gleichgewichtsapparat bedingt und äußert sich in Symptomen, die sehr plötzlich auftreten und an einen Schlaganfall beim Menschen erinnern. Typische Anzeichen sind Bewegungs- und Koordinationsstörungen, Schielen, Schiefhaltung des Kopfes, Schwindel und Erbrechen. Grundsätzlich lässt sich ein Vestibularsyndrom recht eindeutig und klar diagnostizieren. Da die Erkrankung harmlose, aber auch lebensbedrohliche Ursachen haben kann, ist eine schnelle tierärztliche Untersuchung besonders wichtig. Nur so lässt sich feststellen, welche Behandlung nötig ist, um dem Tier so schnell und gut wie möglich zu helfen.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Thema Vestibularsyndrom beim Hund

Kann das Vestibularsyndrom wiederkommen?

Ja, es ist möglich, dass ein Vestibularsyndrom, das bereits von selbst verschwunden oder erfolgreich therapiert worden ist, erneut auftritt. Solche Fälle sind jedoch selten.

Ist das Vestibularsyndrom beim Hund gefährlich?

Das periphere Vestibularsyndrom geht oft mit heftigen Symptomen einher, ist aber in vielen Fällen gut behandelbar. Viele Hunde erholen sich innerhalb weniger Tage bis Wochen fast vollständig (gerade bei der idiopathischen Form). Das zentrale Vestibularsyndrom ist ernster, da hier meist schwerwiegende Erkrankungen zugrunde liegen.

Wie schnell treten die Symptome auf?

Das Vestibularsyndrom beginnt in der Regel ganz plötzlich – wie aus „aus dem Nichts“. Ein Hund, der morgens noch völlig normal war, kann am Nachmittag plötzlich den Kopf schief halten, taumeln oder stürzen.

Wie erkenne ich, ob es sich um die zentrale oder periphere Form handelt?

Das lässt sich nicht ohne Weiteres erkennen. Starke Bewusstseinsveränderungen, Lähmungserscheinungen oder beidseitiger Nystagmus (Augenzittern) können aber auf eine zentrale Ursache hinweisen. Eine neurologische Untersuchung ist in solchen Fällen besonders wichtig. 

Ist das Vestibularsyndrom für meinen Hund schmerzhaft?

Nein, das Vestibularsyndrom selbst verursacht in der Regel keine Schmerzen. Die betroffenen Hunde sind aber oft verängstigt oder verwirrt, weil sie die Kontrolle über ihre Bewegungen verlieren.

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