Die Veterinärmedizin bietet heute deutlich mehr Behandlungsmöglichkeiten als noch vor 20 oder 30 Jahren. Das ist nicht nur dem technologischen Fortschritt und konsequenter Forschung zu verdanken, sondern hat auch damit zu tun, dass Methoden aus der Humanmedizin Einzug gehalten haben. Ein Beispiel dafür ist die Physiotherapie. Sie hat sich mittlerweile zu einem festen Bestandteil in der Tiermedizin entwickelt und wird bei Groß- und Kleintieren, allen voran Hunden und Pferden angewendet.
Eine Physiotherapie verfolgt in erster Linie den Zweck, Bewegungsprobleme zu behandeln, die infolge von Erkrankungen und Verletzungen oder altersbedingt entstehen können. Darüber hinaus dient sie als Nachsorgemaßnahme bei Operationen. Ziel ist es, die Funktionalität des Bewegungsapparats zu erhalten oder zu verbessern, Schmerzen zu lindern und den Tieren somit zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. In diesem Artikel geben wir einen Überblick, welche physiotherapeutischen Methoden für Hunde es gibt, wann sie sinnvoll sind und worauf man als Halter oder Halterin achten sollte.
Was ist Physiotherapie?
Die Physiotherapie zählt zu den konservativen medizinischen Behandlungen, was bedeutet, dass sie im Gegensatz zu invasiven Behandlungen wie Operationen keinen Eingriff in den Körper erfordert. Stattdessen wirken die Maßnahmen von außen auf das Tier und müssen nicht medikamentös begleitet werden. Aus diesem Grund gilt die Physiotherapie als eine sanfte Therapieform.
Im Fokus stehen aktive und passive Bewegungsübungen (Krankengymnastik) sowie physikalische Therapiemethoden, beispielsweise Massagen, Reizstrom- und Wärmebehandlungen. Sie helfen unter anderem dabei, Kraft und Ausdauer zu fördern, Verspannungen zu lösen und die Koordination zu verbessern. Übergeordneter Zweck des Ganzen ist, den Bewegungsapparat des Tieres zu stärken, Schmerzen zu lindern und Heilungsprozesse zu beschleunigen.
Physiotherapie bei Hunden: Wann ist sie sinnvoll?
Physiotherapeutische Maßnahmen dienen dazu, Bewegungsprobleme zu behandeln, die wiederum unterschiedliche Ursachen haben können. Wir geben einen Überblick über die häufigsten Anwendungsbereiche:
- Gelenkerkrankungen: Bei Erkrankungen der Gelenke wie Arthrose, Hüft- oder Ellenbogendysplasie kann eine Physiotherapie dazu beitragen, Schmerzen zu lindern und dem Hund mehr Beweglichkeit zu ermöglichen.
- Verspannungen und Schonhaltung: Mithilfe von Physiotherapie können Muskelverspannungen gelockert und unnatürliche Bewegungsmuster, die durch Schonhaltung entstehen, aufgelöst werden.
- Prellungen und Quetschungen: Im Fall von Prellungen und Quetschungen können physiotherapeutische Methoden unterstützend zu konventionellen Behandlungen eingesetzt werden.
- Probleme der Skelettmuskulatur: Bei Zerrungen, Bänderrissen, Verstauchungen, Muskelschwäche und anderen Problemen der Skelettmuskulatur werden ebenfalls physiotherapeutische Maßnahmen angewendet.
- Neurologische Erkrankungen: Entwickelt ein Hund neurologische Probleme, etwa infolge eines Bandscheibenvorfalls, oder erleidet er beispielsweise einen Schlaganfall, kann eine Physiotherapie dabei helfen, die Funktion des Bewegungsapparats aufrechtzuerhalten.
- Operationen: Die Physiotherapie ist eine gebräuchliche Rehabilitationsmaßnahme nach Operationen, um Muskelabbau entgegenzuwirken und die Beweglichkeit sicherzustellen.
- Bewegungsstörungen: Ältere Hunde und sportlich aktive Hunde neigen dazu, Bewegungsstörungen zu entwickeln. Diese sind mit einer Physiotherapie oft gut behandelbar.
Physiotherapien werden nicht nur zur Behandlung bestehender Beschwerden, sondern auch präventiv angewendet. So ist beispielsweise möglich, durch gezielte Übungen Haltungsschäden und damit verbundenen Bewegungsproblemen vorzubeugen. Voraussetzung dafür ist, dass das Trainingsprogramm auf Alter, Aktivitätslevel und Gesundheitszustand des Hundes abgestimmt ist und vom Tierarzt oder von der Tierärztin begleitet wird.
Formen der Physiotherapie bei Hunden
Es gibt eine ganze Reihe von physiotherapeutischen Maßnahmen, die bei Hunden Anwendung finden können. Zu unterscheiden sind Bewegungsübungen und Maßnahmen, die auf physikalischen Reizen wie Druck, Wärme oder Kälte basieren.
Aktive und passive Bewegungstherapie
Bei der Bewegungstherapie geht es um das gezielte Durchführen von Bewegungsabläufen. Das kann auf passive oder aktive Weise geschehen.
- Aktive Bewegungstherapie: Bei der aktiven Bewegungstherapie muss der Hund Bewegungen selbst vollziehen. Fürs Training werden beispielsweise Gehhilfen, Slalomstangen, Hürden, Schaumstoffblöcke oder Laufbänder verwendet. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, mit dem Hund im Wasser zu arbeiten. Bewährt haben sich in dem Zusammenhang Schwimmübungen und Unterwasserlaufbänder. Der Vorteil am Training im Wasser ist, dass der Hund nicht so stark durch sein Eigengewicht belastet wird. Das schont die Gelenke, was vor allem im Fall chronischer Gelenkerkrankungen und bei Übergewicht relevant ist. Neben dem Aufbau von Muskulatur geht es darum, die Koordinationsfähigkeit und den Gleichgewichtssinn des Hundes zu fördern. Auch dafür gibt es eine Vielzahl an Übungen, bei denen unter anderem Wackelbretter, Gymnastikbälle, Trampoline und Balancekissen Verwendung finden.
- Passive Bewegungstherapie: Bei der passiven Bewegungstherapie führt der Therapeut bzw. die Therapeutin die Bewegungsabläufe am Hund durch. Das Tier wirkt dabei nicht aktiv mit, sondern bleibt möglichst ruhig und entspannt liegen. Erforderlich sind solche Maßnahmen beispielsweise dann, wenn ein Hund nach einer Operation oder aufgrund einer Erkrankung oder Verletzung nicht in der Lage ist, sich aus eigener Kraft zu bewegen. Die Therapie erfolgt im Regelfall manuell, das heißt, der Therapeut oder die Therapeutin nimmt die Gliedmaßen des Tieres in die Hand und bewegt sie. Das hilft dabei, die Gelenke beweglich zu halten und Muskelabbau entgegenzuwirken.
Aktive und passive Bewegungstherapie müssen nicht zwingend getrennt voneinander betrachtet werden. Bei Tieren, die beispielsweise aufgrund einer Gelenkerkrankung operiert worden sind, verhält es sich oft so, dass der passiven eine aktive Bewegungstherapie folgt.
Physikalische Therapiemaßnahmen für Hunde
Neben der Bewegungstherapie gibt es weitere physiotherapeutische Methoden, mit denen Bewegungsstörungen bei Hunden behandelt werden können. Wir geben einen Überblick:
- Massagen: Massagen dienen dazu, Muskelverspannungen beim Hund zu lösen und ihm dadurch zu mehr Beweglichkeit zu verhelfen. Der Therapeut oder die Therapeutin bearbeitet die betreffenden Körperpartien mit speziellen Streich- und Knifftechniken, wodurch sich die Muskeln lockern.
- Wärmetherapie: Bei Muskelverspannungen und Skeletterkrankungen wie HD oder Arthrose kann eine gezielte Wärmebehandlung helfen. Je nach Größe des Hundes und zu behandelnder Stelle kommen dafür unterschiedliche Hilfsmittel zum Einsatz, beispielsweise warme Kirschkern- oder Dinkelkissen oder Rotlichtlampen. Sie wärmen die betroffene Körperpartie, um die Durchblutung anzuregen und die Muskeln zu entspannen.
- Kältetherapie: Eine Kältetherapie ist meist Mittel der Wahl, wenn Schmerzen und Entzündungen gelindert werden sollen. Das kann beispielsweise bei Verstauchungen oder Prellungen der Fall sein. Zu diesem Zweck kommen unter anderem Eisspray, Kühlakkus und Kühlbandagen zum Einsatz.
- Akupunktur: Bei einer Akupunkturbehandlung werden feine Nadeln circa 1 bis 3 mm tief in die Haut gestochen. Dabei orientiert sich der Therapeut oder die Therapeutin an bestimmten Akupunkturpunkten auf der Körperoberfläche. Der Vorgang ist wenig bis gar nicht schmerzhaft, so dass die meisten Hunde kaum etwas merken.
- Reizstromtherapie: Die Reizstromtherapie, auch Mittelfrequenz-Elektrotherapie (MET) genannt, arbeitet mit elektrischen Impulsen. Hierbei werden Elektroden auf die Haut des Hundes gesetzt, die die darunter liegenden Muskelfasern anregen.
- Magnetfeldtherapie: Die Magnetfeldtherapie beruht auf elektromagnetischen Schwingungen, die mithilfe von Magnetmatten, -kissen, -spulen oder -röhren erzeugt werden. Der Körper wird dadurch einem schwachen Magnetfeld ausgesetzt. Die Behandlung ist für das Tier schmerzlos.
- Lasertherapie: Bei der Lasertherapie werden gebündelte Lichtstrahlen auf bestimmte Körperstellen gerichtet, die durch die Haut in tieferes Gewebe eindringen. Ziel ist es, die Durchblutung zu fördern und Schmerzen zu reduzieren.
Wichtig zu wissen ist, dass nicht jede Methode bei jedem Tier angewendet werden darf. Faktoren wie das Alter, der gesundheitliche Zustand und individuelle Vorbelastungen spielen eine entscheidende Rolle dahingehend, welche therapeutische Maßnahme durchführbar ist und welche nicht. Aus diesem Grund sollte eine Physiotherapie ausführlich mit einem Tierarzt oder einer Tierärztin besprochen werden.
Risiken einer Physiotherapie für Hunde: Worauf muss ich achten?
Physiotherapeutische Methoden haben großes Potenzial, wenn es darum geht, die Bewegungsfähigkeit des Hundes wiederherzustellen und Schmerzen zu lindern. Sie sind nicht invasiv und erfordern keine Medikation, das heißt jedoch nicht, dass keine Risiken bestehen. Halter und Halterinnen sollten Folgendes im Hinterkopf behalten:
- Kein Ersatz für tierärztliche Behandlung: Eine Physiotherapie kann eine tierärztliche Behandlung nicht ersetzen, da sie häufig nur die Symptome bzw. Folgeerscheinungen und nicht die Ursache behandelt. Sie ist daher als begleitende Maßnahme zu verstehen. Das soll ihren Mehrwert jedoch nicht schmälern. In vielen Fällen ist es gerade die Kombination aus tierärztlicher Versorgung und Physiotherapie, die eine Besserung ermöglicht.
- Auf Expertise achten: Wird eine Physiotherapie korrekt durchgeführt und individuell auf das Tier angepasst, ist das Risiko für Komplikationen gering. Arbeitet der Therapeut oder die Therapeutin jedoch nicht fachgerecht, überfordert das Tier oder wählt eine ungeeignete Methode, kann es zu Überlastungen oder Entzündungen kommen. Es ist daher empfehlenswert, bei der Wahl eines Hundephysiotherapeuten auf Expertise zu achten, zumal die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist.
Wie jede medizinische Behandlung am Tier verursacht auch eine Physiotherapie Kosten, die sich schnell summieren können, denn im Regelfall ist es mit einer Sitzung nicht getan. Eine Physiotherapie erstreckt sich meist über einen längeren Zeitraum, da sich nur so nachhaltige Ergebnisse erzielen lassen. Eine Hundekrankenversicherung oder eine Hunde-OP-Versicherung mit Reha-Baustein erweist sich in solchen Fällen als sehr hilfreich. Sie übernimmt die Kosten für physiotherapeutische Behandlungen und bietet Haltern und Halterinnen finanziellen Schutz.
Fazit
Eine Physiotherapie kann Hunden, die sich nur eingeschränkt oder unter Schmerzen bewegen können, zu mehr Lebensqualität verhelfen. Es gibt viele unterschiedliche Methoden, die es ermöglichen, die Beweglichkeit des Hundes zu verbessern – angefangen bei Lauf- und Schwimmübungen bis hin zu Massagen und Thermobehandlungen. Welche Maßnahme sich am besten eignet, hängt von der individuellen Konstitution des Tieres ab und sollte tierärztlich abgesprochen werden. Grundsätzlich jedoch kann eine Physiotherapie eine wertvolle Unterstützung sein und ermöglicht es dem Tier, wieder Freude an der Bewegung zu haben.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Thema Physiotherapie beim Hund
Wie oft muss ein Hund zur Physiotherapie?
Das hängt vom individuellen Behandlungsplan ab. Bei starken Bewegungseinschränkungen und Schmerzen können ein bis zwei Termine pro Woche notwendig sein. Mitunter sind zusätzliche Behandlungen zu Hause notwendig, die der Halter oder die Halterin mit dem Hund selbst durchführen muss. Der Therapeut oder die Therapeutin gibt dann genaue Anweisungen, was zu tun ist.
Wie lange dauert eine Physiotherapie?
Eine Physiotherapie kann sich über mehrere Wochen, Monate oder sogar Jahre erstrecken. In einer ersten Sitzung erstellt man gemeinsam mit dem Therapeuten oder der Therapeutin einen Zeitplan, in dem die Intervalle der Behandlungen festgehalten werden. Eine Sitzung dauert meist zwischen 30 und 60 Minuten. Danach sollte eine Pause einkalkuliert werden, damit sich das Tier regenerieren kann.
Hilft Physiotherapie auch bei älteren Hunden?
Ja, eine Physiotherapie kann helfen, die Beweglichkeit älterer Hunde zu fördern und Schmerzen im Fall von Gelenkerkrankungen wie Arthrose zu lindern.
Ist eine Überweisung vom Tierarzt für eine Physiotherapie notwendig?
In vielen Fällen kann eine Physiotherapie ohne Überweisung begonnen werden, jedoch ist eine Absprache mit dem Tierarzt oder der Tierärztin sinnvoll, um sicherzustellen, dass keine medizinischen Gründe gegen die Behandlung sprechen.
Wie erkenne ich, dass mein Hund eine Physiotherapie benötigt?
Bei Anzeichen von Bewegungsproblemen ist es sinnvoll, den Hund tierärztlich vorzustellen und abhängig von der Diagnose eine Physiotherapie in Anspruch zu nehmen. Mögliche Symptome, die auf Störungen im Bewegungsapparat hindeuten können, sind:
- Schwierigkeiten beim Aufstehen oder Treppensteigen
- Bewegungsunlust
- Krummer Rücken
- Seitlicher Gang
- Einknickende Beine
- Hinken
- Lahmheit
- Ungleich abgenutzte Krallen
- Koordinationsschwierigkeiten
- Häufiges Strecken
Wie erkenne ich einen guten Hundephysiotherapeuten?
Ein qualifizierter Hundephysiotherapeut sollte über eine spezielle Ausbildung und Erfahrung im Umgang mit Hunden verfügen. Zudem sollte er gut mit Tierärzten und Tierärztinnen zusammenarbeiten und individuell auf die Bedürfnisse des Hundes eingehen.
Was kostet eine Physiotherapie beim Hund?
Die Kosten variieren je nach Region, Art der Behandlung und Qualifikation des Therapeuten oder der Therapeutin. Eine Sitzung kann zwischen 30 und 80 Euro kosten. Langfristige Therapien können auch Paketpreise beinhalten.