Pferdegebiss ist nicht gleich Pferdegebiss. Bei Pferdezähnen können eine Reihe von Erkrankungen und Zahnproblemen auftreten. Fehlstellungen, Probleme beim Zahnwechsel oder Frakturen durch äußere Einflüsse sind nur einige Beschwerden im Pferdemaul. Tierärzt:innen sowie spezialisierte Pferdezahnärzt:innen können dem geplagten Pferd jedoch weiterhelfen. Erfahre in unserem Magazinbeitrag mehr zu Pferdezähnen, Anatomie und wie Du für gesunde Zähne bei dem Pferd sorgst!
Warum hatten Pferdezähne immer schon eine hohe Bedeutung?
Bereits in der Kriegs- und Nachkriegszeit spielte die Gesundheit der Pferdezähne eine große Rolle. Damals waren Pferde in der Regel Arbeitstiere und für den Lebensunterhalt wichtig. Sie wurden in der Landwirtschaft auf dem Feld benötigt. Besitzer:innen und Tierärzt:innen legten viel Wert auf gesunde Zähne der Vierbeiner und versuchten stets, Zahnerkrankungen beim Pferd zu vermeiden. Schließlich sollten sie den Hafer optimal zerkleinern, damit weniger gefüttert werden musste.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Pferd zum Hobbytier. Der Futterverbrauch spielte keine so große Rolle mehr. Erst Anfang der 1990er-Jahre erlebte die Pferdezahnmedizin sowie spezialisierte Pferdezahnärzt:innen eine Renaissance. Jährliche Kontrollen und das Beraspeln der Zähne gehören mittlerweile zum Standard in der Pferdehaltung und beugen Zahnprobleme bei Pferden vor.
Wie sieht ein Pferdegebiss aus?
Zum Gebiss eines erwachsenen Pferdes gehören bis zu 44 Zähne. Die Eckzähne (Canini) finden Pferdehalter:innen in der Regel nur bei Hengsten. In einigen Fällen sind aber auch Eckzähne im Gebiss der Stute zu finden. Unabhängig vom Geschlecht können Pferde auch bei Backenzähnen unterschiedlich ausgestattet sein. Pferde haben generell drei bis vier vordere Backenzähne (Prämolaren) und drei hintere Backenzähne (Molaren). Sind die ersten vorderen Backenzähne angelegt, werden sie als sogenannte Wolfszähne bezeichnet. In der Regel sind Wolfzähne nur im Oberkiefer anzutreffen. Die Backenzähne werden aufgrund ihrer Funktion auch als Mahlzähne bezeichnet.
Die Anatomie der Zahnreihen setzt sich wie folgt zusammen:
- 3 Schneidezähne
- 1 Eckzahn: häufig nur bei Hengsten angelegt und in selten Fällen auch bei Stuten sichtbar
- 3 bis 4 vordere Backenzähne: ist der erste Backenzahn angelegt, nennt man ihn Wolfszahn
- 3 hintere Backenzähne
Milchzähne beim Pferd
Das Milchzahngebiss besteht aus maximal 28 Zähnen. Dabei werden die Schneidezähne und die zweiten bis vierten vorderen Backenzähne vollständig gewechselt. Der Zahnwechsel des Pferdegebisses beginnt beim Pferd im Alter von ca. 2,5 Jahren und zieht sich dann bis zum sechsten Lebensjahr hin. Die Pferdezähne sind sehr lang (bis zu elf Zentimeter), da sie sich aufgrund der Abreibung abnutzen und dann nachgeschoben werden. Der ganze Zahn verkürzt sich also im Laufe des Pferdelebens. Übrigens: Bei Hunden und Katzen ist der Zahnwechsel bereits mit dem 7. Monat beendet.
Warum treten Probleme bei Pferdezähnen auf?
Das Pferd ist ursprünglich ein Steppentier, sein Gebiss ist auf das Zerkleinern von Gräsern und Kräutern ausgerichtet. In der modernen Pferdefütterung werden nicht nur Gras, Heu und Silage, sondern auch Getreide gefüttert. Das kann Auswirkungen auf das Pferdegebiss haben und zu kleinen Zahnkrankheiten beim Pferd führen. Beim Zermahlen von Raufutter muss das Pferd mit seinem Kiefer voll ausholen und nutzt die Zähne im Optimalfall gleichmäßig ab. Beim Zerkleinern von Getreide hingegen ist der Kauausschlag nicht ganz so groß und es bilden sich sogenannte scharfe Zahnkanten. Dabei können die Außenkanten der Oberkieferbackenzähne und die Innenkanten der Unterkieferbackenzähne so scharf werden, dass sie die Backenschleimhaut oder die Zunge verletzen. Das verursacht Schmerzen. Mitunter sind die Pferde dann nicht mehr in der Lage, das Futter vollständig zu zerkleinern.
Pferde reagieren sehr unterschiedlich auf Verletzungen ihrer Zähne. Manche fressen ganz normal weiter, andere lassen das Getreide aus dem Maul fallen oder kauen das Heu in Wickeln (sogenanntes Wickelkauen). Zudem können auch Probleme beim Reiten auftreten.
Erfahre in unserem Magazinbeitrag Schmerzen beim Pferd erkennen: Schmerzgesicht und andere Anzeichen, wie Du frühzeitig Schmerzen bei Deinem Pferd erkennen und diesen schnellstmöglich entgegenwirken kannst.
Risiko für Pferdezähne – Milchzähne fallen nicht aus
Beim Zahnwechsel kann es im Pferdegebiss ebenfalls Schwierigkeiten geben. Die Schneidezähne werden nicht vollständig gewechselt, oder eine Zahnkappe hängt fest. Hierbei sitzt ein Rest des Milchzahns, der ungefähr einen halben Zentimeter dick ist, auf dem neuen Zahn. Das Pferd bekommt einen sogenannten Bumps und Probleme im Maul. Dabei handelt es sich um Schwellungen im Unterkiefer, die durch Auftreibungen des Kieferknochens entstehen können. Die Ursache sind komplexe Umbauprozesse am Kieferknochen in Verbindung mit dem Zahnsäckchen des neuen Backenzahns.
Abgebrochener Zahn beim Pferd: Versorgung bei Zahnfrakturen
Frakturen bei Pferdezähnen werden in den meisten Fällen durch äußere Einflüsse (Trauma) verursacht. Das Pferd hat in die Gitterstäbe gebissen und dabei zurückgezogen oder ist von einem anderen Pferd getreten worden. Dabei kann nicht nur der Pferdezahn, sondern auch das Zahnfach oder der Knochen gebrochen sein. Die Versorgung erfolgt nach Art und Umfang der Verletzung und reicht von einer Drahtcerclage (ähnlich einer Zahnspange) bis hin zu einer umfangreichen Frakturversorgung, oft von spezialisierten Pferdezahnärzt:innen, oder dem Ziehen des Zahns.
EOTRH – schmerzhafte Erkrankung bei Pferdezähnen
EOTRH wird auch Equine Odontoclastic Tooth Resorption and Hypercementosis genannt. Bei dieser Erkrankung der Pferdezähne handelt es sich um eine schmerzhafte Entartung der Zementschicht der Schneidezähne und in seltenen Fällen auch der vorderen Backenzähne. Das Zahnfleisch um die Pferdezähne herum ist dabei entzündet, teilweise treten Eiterherde und Fisteln auf. Die Wurzeln sind aufgetrieben. Der entzündliche Prozess breitet sich oft unter dem Zahnfleisch des Pferdes aus. Für viele Pferdehalter:innen bleibt die Erkrankung so erstmal unentdeckt – da die Zähne gesund erscheinen – bis Berührungsempfindlichkeiten und Probleme beim Abbeißen und Fressen auftauchen. Häufig kommt EOTRH eher bei Pferden ab einem Alter von 13 Jahren vor. In der Regel werden im fortgeschrittenen Stadium die betroffenen Zähne oder auch alle Schneidezähne entfernt. Die meisten älteren Pferde kommen jedoch ohne diese Zähne gut zurecht. Die Ursache für die Erkrankung konnte bisher nicht geklärt werden. EOTRH gilt als unheilbar, da der Entzündungsprozess nicht rückgängig gemacht werden kann.
Karies im Pferdegebiss
Pferdzähne sind auch vor Karies nicht sicher. Karies entsteht meistens durch Säurebildung am Zahnfleisch: Das Zahnfleisch wird angegriffen. Ursachen für diese Zahnkrankheit beim Pferd sind Bakterien. Sie verstoffwechseln Zucker und Kohlenhydrate aus dem Futter in Säure. Das Risiko, dass Pferdezähne an Karies erkranken, steigt.
Durch die Vorschädigung des Zahns durch Karies kann auch der Kiefer angegriffen werden. Dieser kann mit einer Plattenosteosynthese versorgt werden. Dabei handelt es sich um eine chirurgische Behandlung mithilfe von Metallplatten. Betroffene Zähne der Pferde müssen in der Regel gezogen werden.
Wie wird ein Pferdezahn gezogen?
Während das Ziehen von Pferdezähnen früher noch durch Ausstempeln über die Nasennebenhöhlen vorgenommen wurde, ist es heutzutage überwiegend über die Maulhöhle üblich. Das Pferd ist dabei nur sediert, das heißt, es bekommt eine Beruhigungsspritze und wird zusätzlich lokal betäubt, z. B. mit einer Anästhesie der Nerven. In manchen Fällen muss der Eingriff in Vollnarkose durchgeführt werden. Das kommt häufig auf den Charakter und die Zahnkrankheit des Pferdes an.
Bei sehr komplizierten Fällen kann eine Entzündung des Pferdezahns über die Wurzel in die Nasennebenhöhle gelangen (dentogene Sinusitis). Pferde, die darunter leiden, haben oft einseitigen Nasenausfluss, der sehr übel riecht. Das Ziehen der Backenzähne kann sehr aufwendig sein und sich über mehrere Tage hinziehen. Die Backenzähne können in jungem Alter bis zu elf Zentimeter lang sein. Sie müssen teilweise in mehreren Sitzungen an verschiedenen Tagen gelockert werden. Oft können sie erst danach komplett entfernt werden. Das ist nicht nur für das Pferd eine anstrengende Prozedur, sondern auch für den Tierarzt oder die Tierärztin. Steht eine sehr aufwendige Zahnextraktion an, wird diese oft stationär durchgeführt. Das Pferd kann so besser beobachtet werden. Die erste Nachkontrolle findet ebenfalls in der Klinik statt. Die weitere Behandlung kann dann der Haustierarzt oder die Haustierärztin durchführen.
Fehlstellungen bei Pferdezähnen
Schneidezähne: Probleme am Pferdegebiss
Möglich bei Pferdezähnen – wie auch beim Menschen – sind Fehlstellungen. Ein Überbiss (die obere Zahnreihe ragt deutlich über die untere Zahnreihe) oder ein Unterbiss (die untere Zahnreihe ragt über die obere) kommen beispielsweise bei Menschen und Pferden vor. Solch eine Fehlstellung kann so stark ausgeprägt sein, dass die Schneidezähne von Ober- und Unterkiefer keinen Kontakt mehr zueinander haben. Das hat auch Auswirkungen auf die Backenzähne. Eine regelmäßige Kontrolle und eine Bearbeitung der Zähne sind mindestens einmal pro Jahr, eventuell auch halbjährlich notwendig.
Problem Meißelzahn
Das Problem Meißelzahn tritt als Folge eines vergrößerten Zahnzwischenraums oder eines fehlenden Pferdezahns auf. Ein Meißelzahn kann aus einem Zahn oder zwei benachbarten Zähnen bestehen. Durch eine Lücke im Pferdegebiss wächst der gegenüberliegende Zahn über die anderen hinaus, da er nicht abgenutzt wird.. Eine regelmäßige Bearbeitung und eine Abklärung der Ursache sind zwingend erforderlich.
Haken bei Pferdezähnen – Folge Rittigkeitsprobleme
Haken sind Überstände des ersten vorderen und des letzten Backenzahns. Sie können durch Fehlstellungen (Über- oder Unterbiss) verursacht werden. Haken können bis zu mehrere Zentimeter lang werden, die Schleimhaut verletzen und die physiologische Kautätigkeit einschränken. Eine weitere mögliche Folge sind Rittigkeitsprobleme. Die Haken werden vom Tierarzt mit entsprechenden Geräten bearbeitet.
Wellengebiss – Risiko bei Jungpferd und Senior
Von einem Wellengebiss ist die Rede, wenn die gesamte Kaufläche von vorn nach hinten wellenförmig aussieht. Bei jungen Pferden kann es durch den zeitlich versetzten Zahnwechsel der Milchzähne und den Durchbruch der permanenten Backenzähne auftreten. Bei älteren Pferden kann diese Gebissform durch das Fehlen von Zähnen vorkommen oder durch die starken Unterschiede bei der Abnutzung älterer Backenzähne.
Tumor im Pferdgebiss
Tumore sind relativ selten und gehen von den Zähnen, vom Knochen oder von der Schleimhaut aus. Sie treten vor allem bei alten Pferden auf, sind jedoch auch bereits bei jungen Pferden festgestellt worden.
Zahnkrankheiten beim Pferd im Überblick
- Überbiss und Unterbiss der Schneidezähne
- Verbleibende Milchzähne
- Zahnfraktur (abgebrochener Zahn durch Unfall)
- Karies
- EOTRH
- Meißelzahn
- Haken
- Wellengebiss
- Tumore
Vorsorge Pferdezähne – Was kann ich als Pferdebesitzer:in tun?
Um die Zähne des Pferdes möglichst lange gesund zu erhalten, sollten eine jährliche Kontrolle des Gebisses und ggf. ein Beraspeln erfolgen. Bei jüngeren Pferden, die evtl. Probleme mit dem Zahnwechsel haben, kann ein sechsmonatiges Kontrollintervall sinnvoll sein. Das gilt auch bei anderen Zahnproblemen. In der Regel gibt der Tierarzt bzw. die Tierärztin am Ende der Behandlung eine Empfehlung zum nächsten Kontrolltermin an
Auch das Futter kann eine Unterstützung für gesunde Zähne sein. Das Pferd benötigt ausreichend Raufutter, gern einen geeigneten Ast zum Knabbern und selbstverständlich keinen Zucker. Achte zudem auf das Leerkauen beim Pferd und ob die Gründe dafür Entspannung oder Stress sind.
Wie sieht eine Behandlung der Pferdezähne aus?
In der Regel bekommt das Pferd zuerst eine Beruhigungsspritze (Sedierung). Um auch an alle Pferdezähne gut heran zu kommen, wird ein Maulgatter eingesetzt. Der Tierarzt oder die Tierärztin schaut mithilfe einer guten Lichtquelle (meist in Form einer Kopflampe) ins Maul des Pferdes hinein. Bei den allermeisten Pferden erfolgt dann die Korrektur durch Beraspeln der Zähne. Liegt ein Problem vor, muss ein Röntgenbild angefertigt werden. Bei Zahnerkrankungen beim Pferd ist oft auch ein CT hilfreich. Nur spezialisierte Kliniken bieten diese Untersuchung an, um in schwierigen Fällen dem Pferd zu helfen.
Pferdezahnarzt – Welche Kosten kommen auf mich zu?
Kommt es zum Ernstfall und eine Zahnextraktion steht an, kann das zwischen 1.500 € und 5.000 € kosten. Der durchschnittliche Leistungsfall beim Thema Pferdezähne liegt bei unseren versicherten Pferden bei 2.400 €. Rund 25 % der eingereichten Leistungsfälle sind durch Zahnextraktionen verursacht.
Die Pferde-OP-Versicherung der Uelzener übernimmt die Kosten für die Zahnextraktion. Wenn das Pferd keine vorvertraglichen Erkrankungen hatte oder der Erkrankungszeitpunkt in die Wartezeit fällt, kommt die Krankenversicherung auch für die jährlichen Kontrollen und für alle anderen Behandlungen auf.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zu Zahnerkrankungen beim Pferd
Was ist EOTRH beim Pferd?
EOTRH (Equine Odontoclastic Tooth Resorption and Hypercementosis) ist eine fortschreitende Zahnkrankheit bei Pferden, die den Abbau von Zahnwurzeln und die übermäßige Bildung von Zement umfasst, was zu Schmerzen, Zahnverlust und anderen oralen Problemen führt.
Wie lassen sich Zahnerkrankungen bei Pferden erkennen?
Zahnerkrankungen bei Pferden können durch Anzeichen wie vermehrten Speichelfluss, Schwierigkeiten beim Kauen, Gewichtsverlust, Mundgeruch, eine veränderte Rittigkeit und Verhaltensänderungen erkannt werden. Eine gründliche Untersuchung durch einen Tierarzt, inklusive Zahnkontrolle, ist wichtig zur genauen Diagnose.
Wie viele Zähne hat ein Pferd?
Ein erwachsenes Pferd hat normalerweise 36 bis 44 Zähne, abhängig von Alter und Zahnentwicklung.