Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Frauen und Männer sind in Deutschland gleichberechtigt. So will es das Grundgesetz. Und erst im Januar hat die Bundesregierung ein weiteres Gesetz auf den Weg gebracht, das Frauen in Unternehmen den Zugang zu Führungspositionen erleichtern soll. Wie steht es um die Rolle der berufstätigen Frau im Kreis Uelzen? Wir haben mit Imke Brammer-Rahlfs, Vorständin bei den Uelzener Versicherungen, gesprochen.
Frau Brammer-Rahlfs, wissen Sie, wie viele Frauen bei den Uelzener Versicherungen arbeiten?
Brammer-Rahlfs: (lacht) Als Vorständin, die auch für das Personal verantwortlich ist, sollte ich es wissen. Bei uns trägt auf jeder zweiten Führungsposition eine Frau die Verantwortung. Und rund 70 Prozent unserer Belegschaft sind Frauen. Bei etwa 300 Mitarbeiter:innen bedeutet das: Bei uns arbeiten 210 Frauen.
Wie kam es zu dem hohen Anteil an Frauen in Führungspositionen bei der Uelzener?
Brammer-Rahlfs: (lacht) Die Frauen haben sich durchgesetzt. Aber keine Frau bekommt einen Posten, nur weil sie eine Frau ist. Sie bekommt ihn, weil sie dafür qualifiziert ist. Bei der Besetzung von Stellen darf das Geschlecht keine Rolle spielen. Und dass wir im Unternehmen einen so hohen Frauenanteil haben, hat sich organisch entwickelt. Wir sind sehr familienfreundlich. Viele Frauen kommen bereits nach einer kurzen Babypause wieder ins Unternehmen zurück.
Was empfehlen Sie Frauen, die Karriere machen wollen?
Brammer-Rahlfs: Mehr netzwerken. Ich selbst bin in vier Arbeitsgruppen tätig und versuche, meine Kontakte kontinuierlich zu pflegen. Ein weiterer wichtiger Baustein: Weiterbildung. Ich mache ungefähr alle 4 bis 8 Wochen ein Seminar, das mich weiterbringt. Außerdem ist meine Erfahrung, dass Frauen einfach mehr Selbstbewusstsein haben sollten, weniger Selbstzweifel und Perfektionismus. Entscheidend für den Weg an die Spitze sind die Soft-Skills, ein starker Wille und eine klare Lebensplanung.
Und Sie selbst hatten diese klare Lebensplanung?
Brammer-Rahlfs: Dass ich Vorständin geworden bin, sehe ich als Geschenk. Immerhin haben rund 80
Prozent der Unternehmen in Deutschland keine Frau im Vorstand. Ich habe mir diese Position aber auch erarbeitet. Direkt nach dem Studium habe ich als Diplom-Kauffrau bei den Uelzener Versicherungen angefangen und immer dabei geblieben. Mein Lebensplan war von Anfang an Kinder und Karriere zu verbinden. Ich wusste: Das geht nur mit entsprechender Unterstützung durch meinen Mann und die Familie. Und die habe ich bekommen.
Gibt es einen dezidiert weiblichen Führungsstil?
Brammer-Rahlfs: Meine Erfahrung ist, dass der Führungsstil mehr mit der jeweiligen Persönlichkeit zu tun hat – unabhängig ob Frau oder Mann. Was ich aber schon feststelle: Wenn sich Frauen und Männer identisch verhalten, dann wird das Verhalten oft nicht gleich bewertet. Dort, wo einem Mann eher durchsetzungsfähig und ein Macher ist, wird das Verhalten einer Frau manchmal als zickig bewertet. Auch das Aussehen ist bei Frauen oft wichtig. Bei Männern dagegen kaum.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Brammer-Rahlfs: Führen hat für mich etwas mit Dienen zu tun. Der chinesische Philosoph Laotse soll erkannt haben: „Wer Menschen führen will, muss hinter ihnen gehen.“ Das entspricht meinem Führungsbild. Meine Aufgabe im Bereich Personal ist, dass sich bei uns alle wohlfühlen. Dann können alle Mitarbeiter:innen produktiv sein und gute Leistungen bringen. Außerdem halte ich einen wertschätzenden und fairen Umgang miteinander für sehr wichtig. Einer unserer Kernwerte im Unternehmen ist Fürsorge. Das versuchen wir zu leben.
Gibt es etwas, das Sie aufgrund Ihrer Position als Vorständin für Ihr Leben vermissen?
Brammer-Rahlfs: Für manches fehlt mir schlicht die Zeit. Das betrifft meine Familie, zu der auch zwei Labradore und eine Haflingerstute gehören, ebenso wie mein ehrenamtliches Engagement, das ich früher im Vereins- oder Kirchenvorstand geleistet habe. Dabei ist mir das sehr wichtig. Jeder sollte sich doch fragen: Was kann ich für die Gemeinschaft tun? Sehr gefreut habe ich mich, als die Uelzener Versicherung den Verein VITA Assistenzhunde e.V. mit einer Spende unterstützten konnte. Die Partnerschaft zwischen Mensch und Hund ist einzigartig.
Stichwort Work-Life-Balance: In der Krise haben Frauen noch mehr zu tun als Männer, da sie zuhause in der Regel mehr Aufgaben übernehmen. Das verstärkt den Trend zu einer traditionellen Rollenverteilung. Wie sieht das in Ihrem Unternehmen aus?
Brammer-Rahlfs: Vielfalt und Chancengleichheit sind bei uns seit Langem ein ganz wichtiges Thema. Vor über zwanzig Jahren habe ich noch Meetings erlebt, bei denen ich die einzige Frau war. Mittlerweile sind wir ein sehr weibliches Unternehmen. Mit diesem Setting sind wir gut unterwegs – was die Unternehmenskultur angeht ebenso wie bei unserem starken Wachstumskurs der vergangenen Jahre.
Bieten sich durch Homeoffice, bedingt durch die Corona-Pandemie, auch mehr Chancen für Frauen?
Brammer-Rahlfs: Davon bin ich überzeugt. Corona wird das Arbeitsleben von Frauen nachhaltig verändern. Viele Arbeiten lassen sich jetzt von zu Hause aus oder mobil erledigen – ohne langen Weg zur Arbeitsstelle. Das bringt Vorteile mit sich, wenn frau Kind und Karriere verbinden möchte. Zudem hat die Digitalisierung neue Berufsfelder geschaffen. Auch das bedeutet für Frauen weitere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Imke Brammer-Rahlfs
Die Vorständin der Uelzener Versicherung hat Betriebswirtschaftslehre studiert und einen weiteren versicherungsfachlichen Abschluss als „Spezialistin Risikomanagement“. Im Uelzener Unternehmen hat sie 1991 als Sachbearbeiterin im Haftpflicht- und Unfallsachbereich angefangen. Nach der Gruppenleitung in diesem Bereich wurde sie Geschäftsführerin der Rechtsschutz Schadenservice GmbH und hat in dieser Funktion unter anderem ein neues Schadensmanagement für das Unternehmen aufgebaut. In den Vorstand berufen wurde sie im April 2012.