Mädchen liest. Neben ihr ein Schulhund.
Häufige Fragen

Vier Pfoten im Klassenzimmer: Schulhund Ebony

09.11.2023

Eine neue „Lehrkraft“ bereichert seit Mai 2023 den Lehrkörper der Ganztagsgrundschule Hermann-Löns in Uelzen. Sie heißt Ebony, hat vertrauenserweckende Augen, ein weiches Fell und vier Pfoten. Schulhund Ebony begleitet Frauchen Schulleiterin Katja Wolff in den Unterricht.

Wir haben die Hermann-Löns-Grundschule besucht und dabei einen abwechslungsreichen und ungewöhnlichen Unterricht mit dem Schulhund Ebony miterleben dürfen.

Was ist denn ein Schulhund? Diese Frage wollen wir einmal kurz vorweg beantworten.

Was ist ein Schulhund?

Schulhunde sind speziell für ihre Aufgaben in einer Schule ausgebildete Hunde. Sie begleiten ihre Lehrkraft im Unterricht, treten in Interaktion mit Schülerinnen und Schülern und unterstützen die Lehrperson bei ihrer Arbeit. Dabei sind bestimmte Regeln von allen Personen zu berücksichtigen.

Mittlerweile gibt es vielfach sehr gute Erfahrungen mit den vierbeinigen Begleitern im Unterricht. So wirkt sich ein Schulhund folgendermaßen auf alle Beteiligten in der Schule aus:

  • Emotionale Unterstützung: Schulhunde können eine beruhigende Wirkung auf Schülerinnen und Schüler haben. Beispielsweise, wenn der Schulhund während einer Stillarbeit durch die Klasse streift, bei einzelnen Schülerinnen oder Schülern kurz verweilt, sie ihm wie nebenbei kurz über das Fell streichen. Außerdem kann ein Schulhund das Selbstvertrauen fördern, indem sich etwa ängstliche Kinder überwinden und trauen, dem Schulhund ein Leckerli zu geben.
  • Förderung der sozialen Entwicklung: Interaktionen mit einem Schulhund können dazu beitragen, soziale Fähigkeiten zu fördern. So achten die Kinder gemeinschaftlich auf die Einhaltung der Regeln im Umgang mit einem Schulhund, unterstützen zurückhaltende Kinder, Mut zu fassen, sich dem Hund zu nähern, und freuen sich miteinander an der Gegenwart des Hundes.
  • Stressreduktion: Der bloße Anblick und die Berührung eines freundlichen Hundes können den Stresslevel der Kinder senken. Dies kann besonders hilfreich sein, um Spannungen in der Klasse zu reduzieren.
  • Positives Lernumfeld: Ein Schulhund kann zu einer positiveren Atmosphäre beitragen, sodass die Kinder sich darauf freuen, zur Schule zu gehen.
  • Förderung der Verantwortung: Die Versorgung wie das Bereitstellen von Wasser für den Hund erfordert Verantwortungsbewusstsein. Außerdem lernen die Kinder, sich zum Wohl des Hundes an Regeln zu halten. So ist es beispielsweise wichtig, dass der Hund nicht aus Versehen etwas frisst, das ihm schadet.

Deutlich wird: Die Anwesenheit eines Schulhunds kann sich sehr positiv auswirken. Doch wie sieht das nun genau aus? Um einen Einblick zu bekommen, haben wir mit zwei Kolleginnen der Uelzener eine Schule mit Schulhund besucht.

Die Schule

Die von uns besuchte Hermann-Löns-Grundschule ist eine offene Ganztagsschule im Stadtzentrum Uelzens. Zurzeit besuchen ca. 240 Schülerinnen und Schüler in 12 Klassen die Schule.

Schulhund Ebony

Der Schulhund der Hermann-Löns-Grundschule heißt Ebony. Er gehört der Schulleiterin Katja Wolff. Nach seiner Schulhunde-Ausbildung begleitet Ebony seit Mai 2023 die Lehrerin in den Unterricht. So ist Ebony im Matheunterricht oder beim Lesenlernen dabei.

Ausbildung Schulhund

Ebony hat mit Schulleiterin Katja Wolff ihre Ausbildung am Deutschen Institut für die Hunde-Mensch-Beziehung  absolviert, deren Leiterin Birgit Baden über eine von der International Society for Animal Assisted Therapy (ISAAT) anerkannte Ausbildung verfügt. Am Anfang der Schulhunde-Ausbildung steht eine Tauglichkeitsprüfung in Anlehnung an den Wesenstest des Landes Niedersachsen. Teil der Prüfung sind eine schriftliche Sachkundeprüfung und eine praktische Prüfung in Grundgehorsam und Bindung. Außerdem findet eine praktische Prüfungseinheit mit Kindern statt. Daneben gibt es natürlich noch viele weitere Ausbildungsinstitute. Eine Liste mit von der ISAAT (International Society for Animal Assisted Therapy) akkreditierten Instituten findet sich hier: ISAAT – Aus- und Weiterbildungen.

Schulhund bei der Arbeit

Ausgangspunkt unseres Schulbesuchs ist das Büro der Schulleiterin Katja Wolff. Vor dem Verlassen des Büros bekommt Ebony ihre Weste mit der Bezeichnung „Schulhund“ angezogen. Es ist nun für sie und für alle Zweibeiner klar: Der Hund hat einen Job zu erledigen. Er ist jetzt in seiner Funktion als Schulhund unterwegs. Los geht es zum Klassenraum.

An diesem warmen Sommertag stehen die Fenster zum Schulhof weit offen und auf den Gängen laufen Kinder zu ihren Klassenräumen. Sobald wir auf den Gang treten, erregt Ebony Aufmerksamkeit. Die Kinder schauen und freuen sich sichtlich über Ebonys Gegenwart. Bereits hier können wir die konsequente Befolgung der Regeln bei den Kindern beobachten. Der Schulhund darf nicht gestreichelt oder gelockt werden. Dies respektierten alle. Die Kinder machen sich gegenseitig auf den Hund aufmerksam. „Guck mal, da ist Ebony“, hören wir vielerorts. Doch der Hund wird in Ruhe gelassen und kann unbehelligt zu seinem Einsatzort gehen.

Im Klassenzimmer angekommen, können wir von der rückwärtigen Wand aus, das Geschehen beobachten.

Die Kinder sitzen größtenteils bereits an ihren Plätzen und freuen sich über Ebonys Anwesenheit. Eine ganz normale Schulstunde begann.

Wie sieht nun Ebonys Einsatz als Schulhund aus?

Die Begrüßung

Zu Begrüßung dürfen 5 Kinder dem Hund ein Leckerli geben. Dabei ist sichergestellt, dass jedes der Kinder im Laufe der Zeit an die Reihe kommt. Ebony wählt die Kinder, die am jeweiligen Tag dran sind, selbst aus. Ein für die Kinder aufregendes Unterfangen, bei dem alle mitfiebern und aufmerksam zuschauen.

Das Zentrum der Aufmerksamkeit ist ein Korb mit Wäscheklammern. Auf jeder Wäscheklammer steht der Name eines Kindes. Ebony greift nun mit der Schnauze unter dem Kommando der Lehrerin eine Wäscheklammer nach der anderen heraus. Das „gezogene“ Kind darf Ebony nun ein Leckerli reichen.

Jedes Kind reagiert anders. Eines freut sich doll und kann dem Hund gar nicht schnell genug das Begrüßungsleckerli reichen. Ein anderes wirkt sehr zurückhaltend und überlegt kurz. Es entscheidet sich an diesem Tag erstmalig dafür, das Leckerli zu geben, ist danach sichtlich stolz und froh, sich überwunden zu haben. Ein anderes mag den direkten Kontakt mit der Hundeschnauze nicht und verwendet eine Futterschaufel, aus der Ebony das Leckerli entnehmen kann. Die übrigen Kinder beobachten das Ganze sehr aufmerksam. Einige freuen sich besonders mit dem Kind, das sich erstmalig getraut hatte.

Lehrerin im Klassenraum mit Schulhund.

Matheunterricht

Nach der Begrüßung ist Mathematikunterricht angesagt. Die Lehrerin beginnt mit einer Aufgabe: 30 plus 17. Sie erklärt verschiedene Rechenwege, die zu der Lösung 47 führen. Anschließend sollen die Kinder das Wiederholte in einer Stillarbeit üben.

Für die Stillarbeit gibt es zwei mögliche Lehrmittel. Das ist nun wichtig. Vor allem für Ebony. Entweder wird ein Arbeitsheft, das „Dünni“, verwendet. Alternativ kann auch ein Lehrbuch, das „Dicki“, genutzt werden. Wir können direkt beobachten und hören, dass die Vorlieben der Kinders sich stark unterscheiden. Einige Kinder möchten lieber mit dem Dicki arbeiten, andere favorisieren das Dünni.

Der Unterricht mit einem Schulhund unterscheidet sich in dem Fall doch sehr von dem ohne tierischen Begleiter. Denn nicht die Lehrerin entscheidet, welches der beiden Arbeitsmittel verwendet wird. In diesem Fall entscheidet Schulhund Ebony.

Die Lehrerin legt zunächst fest, welche ihrer beiden Hände für welches Lehrmittel steht. Rechte Hand bedeutet „Dicki“ und linke Hand „Dünni“. Dann wählt Ebony aus, indem sie eine der Hände berührt. Währenddessen feuern die Kinder Ebony an. Einige rufen immer wieder „Dicki, Ebony, das Dicki“, andere machen sich für das Dünni stark. Ebonys Wahl fällt auf die linke Hand der Lehrerin. Das „Dünni“ hat gewonnen.

Einige Kinder sind enttäuscht, andere freuen sich sichtlich. Alle aber akzeptieren ohne Murren Ebonys Entscheidung und widmen sich nun ihren Aufgaben. Während die Kinder an ihren Aufgaben arbeiten, hilft die Lehrerin, wo es nötig ist. Das ein oder andere Aha-Erlebnis können wir miterleben.

Während der Stillarbeit streift Ebony durch die Klasse, bewegt sich zwischen den arbeitenden Kindern, bleibt mal an einem Tisch, mal an einem Stuhl kurz stehen. Manch ein Kind streichelt sie kurz während es weiter seine Aufgabe löst.

Ebonys Freundebuch

Wir alle kennen Freundebücher, ähnlich der früheren Poesiealben. In Freundebüchern ist auf einer Doppelseite Platz für persönliche Eintragungen der Freunde und Freundinnen eines Kindes. Was sie am liebsten essen, welche Hobbys sie haben, was ihr liebstes Schulfach ist und vieles mehr findet in vorgegebenen Rubriken Platz. Zu unserer Überraschung hat auch Ebony ein Freundebuch.

In jeder Stunde mit Ebony darf ein anderes Kind Ebonys Freundebuch mit nach Hause nehmen und sich eintragen. Wieder wählt Ebony mittels der mit Namen gekennzeichnet Wäscheklammern aus, welches Kind diesmal dran ist. Dabei sind natürlich nur die Namen der Kinder im Korb, die das Buch noch nicht mit zu Hause hatten. Auch dieser Vorgang wird wieder sehr aufmerksam verfolgt. Das „gezogene“ Kind holt sich das Freundebuch vorne ab und freut sich sehr. Andere Kinder freuen sich mit. Eines sagt: „Du Glückliche“. Bemerkenswert wie der Umgang mit dem Freundebuch die Empathie der Kinder füreinander deutlich macht. Wir dürfen uns das Buch anschauen. Schon viele Kinder haben sich eingetragen und man sieht wie viel Mühe sie sich beim Ausfüllen der Seiten gegeben haben.

Bald ist unsere Unterrichtsstunde zu Ende. Wir begleiten Ebony und Frau Wolff noch zurück zum Büro und verabschieden uns mit vielen interessanten Eindrücken im Gepäck.

Wir hatten im Gespräch zuvor von der Lehrerin erfahren, dass sich die Anwesenheit Ebonys beruhigend und ausgleichend auswirkt. Wie das genau aussieht, konnten wir sehr gut an der im Klassenzimmer vorherrschenden freundlichen, konzentrierten und entspannten Atmosphäre miterleben. Nach unserem Besuch war uns klar: Ebony ist wirklich eine Feelgoodmanagerin.

Klare Regeln

Für die Arbeit eines Schulhunds sind klare Regeln unerlässlich. Die Kinder halten sich sehr diszipliniert an die Absprachen und helfen sich gegenseitig bei der Einhaltung. So macht ein Schüler eine Mitschülerin auf die noch unverschlossene Schultasche nach dem Frühstück aufmerksam. Die Schultasche zu verschließen ist wichtig. Die Ranzen müssen geschlossen sein, es darf kein Essen herumliegen. Denn Ebony würde es schaden, wenn sie zum Beispiel Weintrauben oder Schokolade essen würde.

Außerdem darf der Hund nicht gelockt werden und nicht mehr als zwei Kinder sollten Ebony gleichzeitig streicheln. Eine Auflistung der Regeln hängt gut sichtbar an der Wand.

Was bringt ein Schulhund noch?

Eine besondere Rolle spielt Ebony für die Kinder, wenn sie Sorgen und Nöte haben. So erzählt uns Frau Wolff von ganz besonderen Momenten mit Ebony. Hat sich ein Kind verletzt oder ist erkrankt, wartet es im Büro der Schulleiterin auf die Abholung durch die Eltern. Während dieser Wartezeit kommt es vor, dass Ebony sich zu dem Kind gesellt und der Hund das Kind tröstet. Dabei erzählen die Kinder Ebony mitunter von ihren Sorgen, umarmen sie und suchen Trost. Gerade für geflüchtete Kinder scheint es eine wohltuende Erfahrung zu sein, sich dem Hund „anzuvertrauen“ und in der eigenen Muttersprache zu erzählen. Ebony versteht jede Sprache und reagiert so, dass die Kinder sich verstanden fühlen.

Was sagen Lehrerinnen, Lehrer und Eltern?

Die Akzeptanz im Kollegium ist hoch. Aber auch Lehrkräfte sind mitunter ängstlich was Hunde angeht. Genau wie Eltern. Die Erfahrung von Frau Wolff: Gerade diese sehen den Kontakt zu einem Schulhund als Chance, dass ihre Schülerinnen oder ihre Kinder einen souveränen Umgang mit Hunden erlernen und so nicht unter Unsicherheit leiden werden.

Ein Schulhund trägt dazu bei, dass gar keine Verunsicherung oder unangemessene Ängstlichkeit gegenüber Hunden aufkommt und kann außerdem dazu beitragen, dass Kinder, die bereits unangenehme Erfahrungen mit Hunden erlebt haben, diese hinter sich lassen können. Außerdem lernen Kindern, wie sie mit einem Hund umgehen sollten. So sind sie auch für zukünftige Begegnungen mit anderen Hunden gut vorbereitet. Grundsätzlich müssen Eltern und Lehrpersonen mit dem Einsatz eines Schulhundes einverstanden sein.

Fazit:

Ein Schulhund hat positive Auswirkungen auf soziale Fähigkeiten von Kindern, fördert Verantwortungsbewusstsein und Empathie und kann das Klassen- und Schulklima verbessern. Wichtig sind eine sorgfältige Planung und ein gutes Verständnis der entsprechenden Regeln im Umgang mit dem Hund. Daher sollten der Schulhund und sein Frauchen oder Herrchen die entsprechende Ausbildung haben. Insgesamt kann ein Schulhund eine wertvolle Ergänzung im Schulalltag sein und Schulerfahrungen positiv beeinflusst.

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