Pferd in der Abendsonne.
Tiergesundheit

Mit Liebe Abschied nehmen: Sterbehilfe beim Pferd

20.06.2024

Die Vorstellung, das geliebte Pferd eines Tages gehen lassen zu müssen, macht vielen Halterinnen und Haltern zu schaffen. Tier und Mensch wachsen über die Jahre zusammen, knüpfen ein enges, vertrauensvolles Band und gehen ein Bündnis fürs Leben ein. Der Tod des Pferdes ist ein Verlust, der mit viel Schmerz, Kummer und Leid verbunden ist. Ein Trost in dieser Zeit kann es sein, wenn das Pferd durch den Tod Erlösung gefunden hat. Ist das Tier alters- oder krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, ein schmerzfreies und pferdegerechtes Leben zu führen, kann es der bessere Weg sein, es einschläfern zu lassen, um ihm unnötiges Leid zu ersparen. Die Entscheidung, sich von seinem Pferd zu trennen, ist alles andere als einfach. Sie bestimmt über das Schicksal des Tieres, ist endgültig und muss daher mit Bedacht getroffen werden. Wann das Einschläfern in Betracht gezogen werden sollte und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, erklären wir in diesem Beitrag.

Das Pferd einschläfern – wann muss es sein?

Den richtigen Zeitpunkt, endgültig Abschied zu nehmen, gibt es vermutlich nie. Nichtsdestoweniger kann es gute Gründe geben und mitunter aus moralischen und ethischen Aspekten sogar geboten sein, ein Pferd einschläfern zu lassen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn das Tier schwer erkrankt oder sich verletzt, andauernde Schmerzen hat und es keine Aussicht auf Besserung oder Heilung gibt. Laut § 17 des deutschen Tierschutzgesetzes ist das Töten von Tieren ohne vernünftigen Grund verboten. Als vernünftige Gründe gelten unter anderem nicht behebbare Schmerzen und unausweichliche Leiden. Ab wann man davon sprechen kann, muss tierärztlich beurteilt werden. Relativ klar ist die Sachlage beispielsweise, wenn das Pferd festliegt und bewegungsunfähig ist oder permanente Atemnot hat. Auch inoperable Koliken, unheilbare Hufrehe (Ausschuhen), nicht therapierbare Lahmheiten, unheilbare und übertragbare Infektionskrankheiten, umfangreiche oder schwere Traumata (bspw. offene, nicht schließbare Frakturen) können Gründe sein, ein Pferd einschläfern zu lassen. 

Schwieriger wird es, wenn es um das altersbedingte Einschläfern geht. Alt zu werden, ist keine Krankheit. Trotzdem kann es sein, dass ältere Pferde an Lebensqualität verlieren, beispielsweise wenn sie sich nur noch eingeschränkt bewegen können, erblinden (Gefahr der Selbstverletzung) oder immer schlechter fressen und trinken. Hat man den Eindruck, dass sich das Pferd quält oder apathisch wird und nicht mehr aktiv am Leben teilnimmt, kann es sinnvoll sein, Sterbehilfe in Erwägung zu ziehen.

Grundsätzlich sollte man sich bei der Entscheidung, ob man ein Pferd einschläfern lassen sollte oder nicht, folgende Fragen stellen:

  • Leidet mein Tier?
  • Wie stehen die Chancen auf Besserung oder Heilung?
  • Zeigt mein Pferd Lebenswillen?
  • Kann ich es dem Pferd zumuten, weiter am Leben zu bleiben?
  • Kann ich es mir selbst gegenüber verantworten, mein Pferd am Leben zu erhalten?
  • Bedeutet der Tod Linderung für mein Pferd?

Diese Fragen muss und sollte man keinesfalls für sich allein beantworten, sondern gemeinsam mit dem Tierarzt oder der Tierärztin besprechen, um alle notwendigen medizinischen Informationen zu erhalten, sich eine professionelle Meinung einzuholen und die Situation besser einschätzen zu können. Tierärzte können Halterinnen und Haltern die Entscheidung nicht abnehmen, aber umfassend beraten und mögliche Alternativen aufzeigen, wenn es welche gibt. Letztlich geht es darum, im Sinne des Pferdes zu handeln. Es ist inakzeptabel, ein Tier weiter leiden zu lassen, nur weil man sich selbst noch nicht bereit für den Abschied fühlt. Halter und Halterinnen müssen an dieser Stelle Verantwortung zeigen, indem sie ihr Tier von unnötigen Qualen erlösen und ihm ein würdevolles, schmerzloses und angstfreies Ende ermöglichen. 

Die letzten Schritte vorbereiten

Ist man zusammen mit dem Tierarzt oder der Tierärztin zu dem Entschluss gekommen, das Pferd einschläfern zu lassen, sind eine gute Planung und Vorbereitung erforderlich. Die letzten Schritte sollten für das Tier so stressfrei und angenehm wie möglich sein. In dem Zusammenhang stellen sich weitere Fragen:

  • Wann und wo soll das Pferd eingeschläfert werden?
  • Möchte ich beim Einschläfern dabei sein?
  • Wie erfolgt der Abtransport?
  • Was passiert mit dem Pferdekörper nach dem Einschläfern?

Am wenigsten Stress bedeutet es für das Pferd, wenn es in seiner gewohnten Umgebung bleiben kann, beispielsweise im Stall oder auf der Weide. Allerdings muss sichergestellt sein, dass sich das Tier ruhig verhält und den Kontakt mit dem Tierarzt duldet. Das kann man gegebenenfalls üben, in dem der Tierarzt oder die Tierärztin vorab häufiger zu Besuch kommt. Die Alternative ist, das Pferd zum Arzt zu bringen – allerdings können der Transport dorthin, das Warten und der Aufenthalt vor Ort für Tier und Mensch nervenaufreibend sein. Das muss man sich vergegenwärtigen. Der Zeitpunkt des Einschläferns wird gemeinsam mit dem Tierarzt oder der Tierärztin besprochen. Es bringt nichts, das Ereignis aufzuschieben, das würde das Leid des Pferdes nur in die Länge ziehen. Besser ist es, den frühestmöglichen Termin zu wählen und die verbleibende Zeit mit dem Pferd so gut es geht zu genießen.  

Ob man als Halter oder Halterin beim Einschläfern dabei sein möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden. Gewiss gibt es dem Pferd mehr Ruhe und Sicherheit, wenn es seinen Menschen bis zum Schluss an seiner Seite hat. Allerdings muss man dafür auch die nötige Kraft aufbringen und darf sich seine Nervosität nicht anmerken lassen. Pferde können Stimmungen sehr gut wahrnehmen und gegebenenfalls unsicher werden, wenn sie Angst bei ihrem Halter oder ihrer Halterin bemerken. Wenn man sich nicht in der Lage fühlt, die letzten Schritte gemeinsam mit seinem Tier zu gehen, findet sich eventuell eine andere Person, die dem Pferd nahesteht und es begleiten kann. In jedem Fall sollte man alles versuchen, das Tier in seinen letzten Stunden nicht allein zu lassen. 

Der Abtransport des Pferdekörpers sollte vorab organisiert werden und so stressfrei wie möglich verlaufen. In dem Zusammenhang gilt es zu klären, was mit dem Leichnam des Pferdes passieren soll. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: eine Tierbestattung oder die Übergabe an eine Tierkörperbeseitigungsanstalt. Eine Bestattung auf dem eigenen Grundstück ist in Deutschland nur für Kleintiere zulässig, für größere Haustiere (Doggen etc.) benötigt man eine Genehmigung vom zuständigen Veterinäramt. Das Beisetzen von Pferden im eigenen Garten ist größenbedingt nicht gestattet. 

Sofern die Mittel zur Verfügung stehen und das Pferd nicht aus Seuchenschutzgründen in eine Tierkörperbeseitigungsanlage gebracht werden muss, kann man sich für eine Bestattung entscheiden. Wichtig zu wissen ist, dass ein klassisches Begräbnis auf einem Tierfriedhof aufgrund der Größe von Pferden ebenfalls verboten ist. Es besteht aber die Möglichkeit der Einäscherung und eines Urnengrabs. Alternativ kann die Urne mit nach Hause genommen und beispielsweise im Garten vergraben werden. Es gibt auch die Option, die Asche zu verstreuen oder zu Schmuck verarbeiten zu lassen. Tierbestatter können hierzu umfassend beraten.

Das sanfte Dahinscheiden: Ablauf des Einschläferns

Nach § 4 des deutschen Tierschutzgesetzes darf das Töten von Tieren aus vernünftigem Grund nur schmerzlos erfolgen, was eine Betäubung impliziert. Diese muss mindestens bis zum Eintritt des Todes wirksam sein. Der medizinische Goldstandard ist das Einschläfern mit Sedation und Narkose. Das Pferd wird also zunächst sediert, dann narkotisiert und erhält zum Schluss den Wirkstoff zum Einschläfern. Dadurch ist eine rasche Bewusstlosigkeit sichergestellt, der unmittelbar ein Herz- und Atemstillstand folgt. 

Der Ablauf ist meist wie folgt: Als Erstes wird dem Pferd ein Venenzugang gelegt. Über diesen erhält es ein Sedierungsmittel, das schon nach kurzer Zeit zu wirken beginnt. Sobald das Pferd müde wird, bekommt es ein Narkosemittel, gegebenenfalls in Verbindung mit einem Muskelentspannungsmittel. Daraufhin legt sich das Pferd ab. Dazu sollte ein rutschfester und weicher Untergrund vorbereitet sein. Beim Ablegen wird der Halter oder die Halterin eventuell gebeten zurückzutreten. Eine erfahrene Person hält den Kopf des Pferdes und steuert es so, dass es nicht nach hinten stürzt. Dann wird das Pferd in Seitenlage gebracht. Anschließend folgt ein Test, ob die Narkose vollumfänglich wirkt. Dann erhält das Tier eine letzte Injektion mit der eigentlichen Medikation, die das Herz und die Atmung zum Stillstand bringt. 

Es kann sein, dass das Pferd danach Reflexe zeigt und beispielsweise zuckt, mit den Beinen rudert oder einen langen Seufzer ausstößt. Halter und Halterinnen, die ihr Tier bis zum Schluss begleiten, kann das erschrecken und überfordern. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass das rein physikalische Prozesse sind, die nichts damit zu tun haben, dass das Pferd noch lebt oder etwas spürt. Da das Bewusstsein und Schmerzempfinden vollkommen ausgeschaltet sind, bekommt das Pferd zu keinem Zeitpunkt etwas mit. Es hat keine Angst und kann friedlich einschlafen. 

Nach dem Einschläfern… wohin mit der Trauer?

Den Tod des Pferdes zu verarbeiten, braucht in erster Linie Zeit. Es kann helfen, sich mit anderen darüber auszutauschen und Beistand zu suchen. Das müssen nicht zwangsläufig Personen aus dem Freundes- oder Familienkreis sein, auch die Telefonseelsorge bietet Unterstützung. Zudem gibt es spezielle Tiertrauersprechstunden, an denen man teilnehmen kann, sowie Internetforen und Chats, in denen sich Menschen austauschen, die Ähnliches erlebt haben. Entscheidend ist, dass einem Verständnis widerfährt, wenn man Kontakt sucht.

In Sachen Trauerbewältigung gibt es kein Richtig und kein Falsch. Trauer ist eine sehr individuelle Angelegenheit und jeder geht anders damit um. Es ist wichtig, sich zu gestatten, traurig zu sein, und den Schmerz zuzulassen. Das eigene Pferd ist eben nicht „nur ein Tier“, wie Außenstehende vielleicht behaupten mögen, sondern ein treuer Weggefährte, mit dem man gemeinsam gewachsen ist und der ein bedeutender Teil des eigenen Lebens war. Dieser Teil fehlt nun und es ist verständlich, dass das weh tut.

Manchmal kommen zu der Trauer noch Gewissensbisse hinzu: Hat man das Richtige getan? Hätte es doch noch einen anderen Weg gegeben? Habe ich die Situation falsch eingeschätzt? Auch solche Fragen und Zweifel sind normal. Doch eines steht fest: Ein geliebtes Pferd einzuschläfern, ist eine Entscheidung, die zum Wohl des Tieres getroffen wird und mit der Halter und Halterinnen zum Ausdruck bringen, dass sie auch für das Lebensende Verantwortung übernehmen.

Fazit

Die Zeit mit dem Pferd ist begrenzt, so ungerecht sich das für viele Halter und Halterinnen auch anfühlen mag. Der Gedanke daran, seinen Vierbeiner irgendwann zu verlieren, ist schwer zu ertragen, trotzdem ist es ratsam, sich im Vorfeld mit dem Thema Sterbehilfe zu beschäftigen. Es kann früher oder später zu einer Situation kommen, in der das Einschläfern des Pferdes unumgänglich ist. Umso besser ist es dann, zumindest im Ansatz darauf vorbereitet zu sein und nicht kopflos zu entscheiden. 

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Thema Sterbehilfe beim Pferd

Kann Sterbehilfe beim Pferd aus Kostengründen erforderlich sein?

Kosten können leider ein Grund dafür sein, dass ein Tier eingeschläfert werden muss. Das ist beispielsweise der Fall, wenn das Pferd eine teure Therapie benötigt, der Halter oder die Halterin dafür finanziell jedoch nicht aufkommen kann oder nicht bereit ist, das zu tun. Sind alle bisherigen Behandlungen erfolglos geblieben und ist das Tier großem Leid ohne Aussicht auf Besserung ausgesetzt, ist das Einschläfern aus Tierschutzgründen angezeigt, um dem Pferd weitere Schmerzen zu ersparen. Eine Pferdekrankenversicherung oder Pferde-OP-Versicherung schützt in solchen Fällen. Sie übernimmt die Kosten für tierärztliche Leistungen, so dass dem Pferd die optimale Behandlung zuteilwerden kann, ohne dass der Halter oder die Halterin sich finanziell verausgaben muss.

Kann mein Tierarzt entscheiden, ob mein Pferd eingeschläfert werden soll?

Nur in Ausnahmefällen. Die Entscheidung obliegt in erster Linie dem Halter oder der Halterin. Es muss auch eine mündliche oder schriftliche Einwilligung vorliegen, um Sterbehilfe leisten zu können. Tierärzte und Tierärztinnen entscheiden lediglich in absoluten Notsituationen, beispielsweise bei einem Unfall, der aufgrund schwerster Verletzungen eine Nottötung erfordert.

Kann mein Tierarzt Sterbehilfe beim Pferd ablehnen?

Ja. Tierärzte und Tierärztinnen sind verpflichtet, nach ihrem medizinischen Sachverstand zu handeln, und können Sterbehilfe ablehnen, wenn sie der Meinung sind, dass kein vernünftiger Grund dafür vorliegt.

Sollte ich beim Einschläfern meines Pferdes dabei sein

Es gibt dem Pferd Sicherheit und Geborgenheit, wenn jemand da ist, dem es sich verbunden fühlt. Im Idealfall ist das der Halter oder die Halterin. Aber nicht jeder Mensch ist dazu imstande, sein Tier bis zum Schluss zu begleiten. Sind Schmerz, Angst und Überforderung zu groß, kann es sinnvoll sein, davon Abstand zu nehmen und vielleicht eine andere Person mit dieser Aufgabe zu betrauen. Erfährt man hautnah, wie das eigene Pferd stirbt, kann das eine traumatische Erfahrung sein, die nicht jeder verwindet. Es muss daher gut abgewogen und gemeinsam mit dem Tierarzt oder der Tierärztin abgesprochen werden, was das Beste für Tier und Mensch ist.

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