Artgerechte Haltung ist ein allgegenwärtiges und stark diskutiertes Thema in der Pferdewelt. Viele herkömmliche Haltungsformen wie die Boxenhaltung oder der klassische Offenstall werden zunehmend hinterfragt, da sie den natürlichen Bedürfnissen der Tiere nur teilweise gerecht werden können.
Anders sieht es beim Aktivstall aus. Das moderne Haltungskonzept stellt das Wohlbefinden der Pferde in den Mittelpunkt, kommt ihren Anforderungen besser entgegen und sorgt somit für eine höhere Lebensqualität. Dieser Artikel beleuchtet, wie ein Aktivstall funktioniert und welche Vor- und Nachteile diese Haltungsform für Pferd und Mensch haben kann.
Merkmale eines Aktivstalls
Der Aktivstall basiert auf einem Offenstallkonzept, das sich an den Lebensbedingungen wildlebender Pferde in der Steppe orientiert. Die naturnahe Haltungsform berücksichtigt das ursprüngliche Verhalten der Pferde und ermöglicht ihnen ein artgerechtes Leben in der Herde.
Zentrale Aspekte, die beim Aktivstallkonzept Berücksichtigung finden:
- Sozialkontakt: Pferde sind Herdentiere und leben in einer sozialen Gemeinschaft.
- Bewegung: Pferde, die in freier Wildbahn leben, bewegen sich bis zu 16 Stunden am Tag auf der Suche nach Futter.
- Futteraufnahme: Pferde fressen von Natur aus kleinere Mengen über den Tag verteilt.
- Raumtrennung: Pferde trennen Tätigkeiten räumlich voneinander – sie haben beispielsweise separate Bereiche für Futter, Wasser und Ruhephasen.
In einem Aktivstall leben Pferde Tag und Nacht im Herdenverband und an der frischen Luft. Anders als im klassischen Offenstall sind im Aktivstall verschiedene Funktionsbereiche klar voneinander getrennt und es gibt ein modernes, technikgestütztes Fütterungssystem.
Funktionsbereiche des Aktivstalls
Ein Aktivstall unterteilt sich in mehrere Zonen, die jeweils einer bestimmten Funktion vorbehalten sind. Ihre genaue Anordnung variiert von Stall zu Stall.
Typischerweise werden folgende Bereiche differenziert:
- Ruhe- und Liegebereiche: Hier finden die Pferde Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten.
- Futter- und Wasserstellen: Die Implementierung mehrerer Futter- und Wasserstationen beugt Futterneid vor und fördert ein entspanntes Fressverhalten.
- Laufwege und Trails: Es wird mit verschiedenartigen Bodenbelägen wie Sand, Kies oder Holzschnitzeln gearbeitet, um die Hufgesundheit zu unterstützen.
- Wälz- und Spielbereiche: Hier können sich die Tiere vergnügen, miteinander spielen und interagieren, was das soziale Verhalten fördert.
- Integrations-, Kranken- und Quarantäneboxen: Das sind separate Rückzugsorte für Neuankömmlinge und kranke Pferde, die vorübergehend von der Herde getrennt werden müssen.
Um zu den einzelnen Bereichen zu gelangen, müssen die Pferde in der Regel größere Strecken zurücklegen. Das hilft den Tieren dabei, fit zu bleiben, Ausdauer zu entwickeln und ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachzukommen.
Fütterung im Aktivstall
Eine Besonderheit des Aktivstalls besteht in der Integration automatischer Fütterungsautomaten. Diese werden durch Chips gesteuert, die in die Mähne eingeflochten oder mit einem Band am Kopf oder am Vorderbein der Pferde befestigt sind. Jedes Pferd kann sich über seinen Chip Zugang zum Automaten verschaffen und erhält dort eine individuell angepasste Portion Futter. Die Portionen sind eher klein gehalten, damit das Pferd über den Tag verteilt frisst, was seinem natürlichen Fressverhalten entspricht. Das kann das Risiko für Magen-Darm-Probleme und Übergewicht reduzieren. Stallbetreiber und -betreiberinnen können die Daten, die der Chip liefert, über einen Computer einsehen und kontrollieren, ob die Pferde die für sie vorgesehene Futtermenge zu sich nehmen.
Die Gewöhnung an diese Art der Fütterung kann etwas dauern, da sich einige Pferde nicht sofort an die Automaten herantrauen. Problematisch ist zudem, wenn ranghöhere Tiere den Automaten blockieren. Es ist daher von hoher Bedeutung, die Futteraufnahme jedes Pferdes regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen einzuleiten.
Vorteile der Haltung im Aktivstall
Die Haltung im Aktivstall bringt vielerlei Vorteile mit sich. Der ständige Zugang zu frischer Luft, das Leben im Herdenverband und der große Bewegungsfreiraum fördern die Zufriedenheit und Ausgeglichenheit der Tiere, was wiederum dabei hilft, Stress, Frustration und damit verbundenen Verhaltensauffälligkeiten vorzubeugen. Auch für die körperliche Gesundheit ist es förderlich, wenn die Tiere nicht permanent dem Staub und der stickigen Luft eines geschlossenen Stalls ausgesetzt sind.
Was es im Aktivstall zu beachten gibt
Bedingt durch das Zusammenleben in der Herde besteht in einem Aktivstall ein gewisses Konfliktpotenzial. Rangordnungskämpfe sind per se nichts Ungewöhnliches, jedoch ergreifen viele Aktivstallbetreiber und -betreiberinnen zusätzliche Maßnahmen, um die Verletzungsgefahr zu minimieren. So herrschen teilweise Verbote für Eisen an den Hinterhufen. Für viele Sportreiter und -reiterinnen stellt das jedoch ein Ausschlusskriterium für die Aktivstallhaltung dar.
Neuzugänge im Aktivstall sollten die Möglichkeit haben, sich langsam einzugewöhnen. Vor allem bei Pferden, die aus Boxenhaltung stammen, kann die Umstellung erst einmal Stress und Unsicherheit verursachen. Aus diesem Grund werden bis zu drei Monate Eingewöhnungszeit empfohlen. Das Pferd wird dafür auf einen eigenen Paddock gestellt, der an den restlichen Stall angrenzt, aber klar davon getrennt ist. So kann das Tier das Stallgeschehen beobachten, seine Artgenossen beschnuppern und hat gleichzeitig genügend Raum, um sich zurückzuziehen, wenn es ihm zu viel wird. Es ist sehr wichtig, Pferden diese Zeit einzuräumen, um nicht schlagartig Unruhe in das Herdengefüge zu bringen und das neue Pferd behutsam einzugliedern.
Fazit
Ein Aktivstall ist eine artgerechtere Alternative zu herkömmlichen Haltungsformen und verbindet die Vorteile einer naturnahen Pferdehaltung mit moderner Technik. Er bietet Raum für soziale Interaktion und ausreichend Bewegung und ermöglicht eine kontrollierte Fütterung. Das Aktivstallkonzept kommt den Bedürfnissen von Pferden in besonderer Weise entgegen und ermöglicht ihnen dadurch ein gesundes und zufriedenes Leben.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Thema Aktivstall
Ist jedes Pferd für den Aktivstall geeignet?
Grundsätzlich eignen sich alle Pferde für die Haltung im Aktivstall. Gewisse Einschränkungen bestehen jedoch für Senioren oder verletzungsanfällige Pferde. Wichtig sind hier genügend Rückzugsorte, falls sie nicht mit der ganzen Herde mithalten können. Einige Aktivställe regeln auch den Zugang zur Weide über einen Chip, so dass dieser bei Bedarf für einzelne Pferde eingeschränkt werden kann. Hengste zeigen oft ein stark territoriales Verhalten und können daher in der Regel nicht in einer gemischten Herde untergebracht werden. Einige Aktivställe haben aber dedizierte Hengstgruppen, damit auch diese von den Haltungsbedingungen profitieren können.
Sind Aktivställe wetterunabhängig nutzbar?
Aktivställe sind darauf ausgelegt, das ganze Jahr über genutzt zu werden. Wichtig ist, dass genügend wetterfeste Unterstände vorhanden sind, die Schutz vor Regen, Wind und Sonne bieten. Von Vorteil sind Bodenbeläge, die der Witterung standhalten und bei Nässe griffig sind.
Wie unterscheiden sich Aktivställe in der Praxis voneinander?
Nicht alle Aktivställe sind identisch gestaltet, auch wenn sie im Grunde demselben Konzept folgen. Manche haben sehr großzügige Flächen mit vielerlei Funktionsbereichen und langen Laufwegen, andere sind kleiner und konzentrieren sich auf das Wesentliche.
Welche Investitionen sind für den Bau eines Aktivstalls erforderlich?
An der Planung eines Aktivstalls sind oftmals externe Anbieter beteiligt. Beratungsleistungen, die Anschaffung der entsprechenden Technik und die Bereitstellung wetterfester Unterstände und stabiler Raumtrenner bringen diverse Kosten mit sich. Die Unterbringungskosten sind, je nach Standort und Ausstattung, etwa gleich hoch oder etwas niedriger als die Boxenhaltung.