Reiterin mit Reitkappe führt gezäumtes braunes Pferd von der Wiese, vor dem reiten haben sie sich aufgewärmt.
Häufige Fragen

Warum ist das Aufwärmen für Reiter wichtig?

02.12.2021

Wir haben bei Eckart Meyners nachgefragt. Der Experte für reiterliche Bewegungsschulung erklärt, warum ein gutes Aufwärmtraining so entscheidend ist für ein harmonisches Miteinander zwischen Pferd und Mensch.

Als ich vor mehr als 40 Jahren gebeten wurde, bei einem Reitwartlehrgang aus sportpädagogischer Sicht mitzuwirken, war ich sehr überrascht. Dort wärmten Reiter ihre Pferde vor dem Reiten von Lektionen gezielt auf, sie selbst stiegen aber ohne eine entsprechende Aufwärmphase (Lösungsphase) in den Sattel. Dabei benötigt ihr eigener Körper ebenso Übungen mit unterschiedlichen sportmedizinischen und koordinativen Akzentsetzungen, um entsprechend warm zu sein und sich durch eine erhöhte Beweglichkeit dem Pferd besser anpassen und harmonisch einwirken zu können.

Der gut sitzende Reiter ist der beste Tierschutz. Das Pferd wird in seinen Bewegungsabläufen nicht gestört, sondern ist imstande, Grundgangarten und Lektionen taktvoll auszuführen. Es ist für Sportler anderer Disziplinen vollkommen unverständlich, dass Reiter ihre eigene Aufwärmphase auslassen. Sie wissen, warum das Auslassen unter Leistungs- und Gesundheitsaspekten zu Problemen für Pferd und Reiter führen kann. Dies sind die Vorteile eines optimalen Aufwärmtrainings:

Anstieg der Körpertemperatur

Durch entsprechende Übungen steigt die Körpertemperatur des Reiters und die Stoffwechselprozesse nehmen zu. Aufwärmen bedeutet also tatsächlich eine Erhöhung der Körpertemperatur. Für die normalen Stoffwechselprozesse ist eine Temperatur von 37 Grad Celsius ausreichend.

Weniger Verletzungen

Die Steigerung der Körpertemperatur erhöht auch die Flexibilität der Muskulatur (Muskelviskosität) und die Dehnfähigkeit. Verspannungen, Verkrampfungen und Verletzungen werden vermieden. Die Muskeln sind fähig, blitzartige und gefühlvolle Muskelanforderungen zu leisten, ohne dass es zu Zerrungen oder ähnlichen Beeinträchtigungen kommt.

Vorbereitung des Kapsel-, Band-, Sehnen- und Knorpelbereichs

Auch für das Bindegewebe spielt die höhere Körpertemperatur eine zentrale Rolle. Wegen der geringeren Stoffwechselgeschwindigkeit dauert das Vorbereiten der Knorpel länger als das der Muskulatur. Beide Gewebe besitzen eine vollkommen unterschiedliche Flexibilität. Somit ist gerade der Übergang der Muskeln zu den Sehnen ein sehr verletzungsanfälliger Bereich. Auch für die Gelenkknorpel hat das Aufwärmen eine positive Auswirkung: Nach kurzzeitiger Vorbereitung kommt es zu einer Verdickung der Knorpelschicht der Gelenke. Das ist besonders für sportliche Leistungen wichtig, weil dadurch einwirkende Kräfte des Pferdes besser aufgefangen und somit Verletzungen kurz- und langfristig vermieden werden können.

Einfluss auf die Koordination

Die herabgesetzte innere Reibung sowie die erhöhte Elastizität und Dehnfähigkeit der Muskulatur führen durch die erhöhte Körpertemperatur unmittelbar zu einem besseren Zusammenspiel des Nervensystems mit den Muskeln. Das verringert zusätzlich den Energieverbrauch und der gesamte Körper ermüdet langsamer. Die gesteigerte Entspannungsfähigkeit der arbeitenden Muskulatur wirkt sich besonders bei schnell ablaufenden feinkoordinativen Bewegungen positiv aus.

Wirkungen auf die Psyche

Neben Optimierungsprozessen im körperlichen Bereich wirkt sich ein Aufwärmen des Reiters intensiv auf die Psyche aus und führt zu einer emotionalen Sicherheit. Es wirkt Erregungs- und Hemmungszuständen entgegen. Reiter fühlen sich ruhiger. Diese Ventilfunktion ist besonders bei Wettkämpfen wichtig, denn das Zittern oder die Verkrampfungen der eigenen Bewegungen reduzieren sich.

Das Aufwärmen des Reiters dient auch einem Zustand psychischer Aktiviertheit: Er wird geistig, körperlich und emotional wach. Somit bestehen optimale Bedingungen für das Lernen, Üben und Trainieren. Die Aufwärmprozesse unterstützen somit die mentale Einstellung des Reiters, die allgemeine Arbeitsbereitschaft sowie die Lern- und Leistungssituation.

Das passiert im Körper

  • Optimale reiterliche Belastungen benötigen eine Körpertemperatur von 38,5 bis 39 °C.
  • Bei Temperaturen von 39 bis 40 °C ist eine optimale Elastizität und Plastizität der Fasern von Gelenkkapseln, Bändern, Sehnen und Knorpelgewebe erreicht.
  • Muskeln sind hochgradig dehnfähig (bis 240 Prozent), während Sehnen (und Bänder) sich nur bis zu fünf Prozent dehnen lassen.
  • Nach einer fünfminütigen Bewegung des Gelenks vermehrt sich die Gelenkflüssigkeit, dieser Prozess ist erst nach 20 Minuten abgeschlossen.

Übungen

Aufwärmen leicht gemacht

Der erste Schritt beim Aufwärmen ist die Erhöhung der Körpertemperatur. Um möglichst viele Muskelgruppen zu beanspruchen, bietet sich das Laufen in alle Richtungen an – rückwärts, vorwärts, seitwärts und schräg. Der klassische Hopserlauf sowie Sprünge auf ein und zwei Beinen sind ebenfalls eine gute Möglichkeit, um den Kreislauf in Schwung zu bekommen. Das Kreisen der Arme – vorwärts und rückwärts – ist ein weiterer sinnvoller Zusatz.

Dehnübungen


Porträt von Eckart Meyners

Zum Autor:

Eckart Meyners

Der Experte für reiterliche Bewegungsschulung und ehemalige Dozent für Sportpädagogik bildet heute unter anderem Pferdewirtschaftsmeister der Fachrichtung Klassische Reiterausbildung weiter.

 

Lesetipp

Im Buch „Aufwärm- und Übungs­programm für Reiter“ von Eckart

Meyners erfahren Sie noch mehr

Details und Übungen für das perfekte Aufwärmprogramm.

ISBN: 978-3440138496

Kosmos-Verlag

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