Eine Reiterin übt auf ihrem Pferd, unter den wachsamen Augen ihrer Lehrerin
Erziehung und Training

Der Reitersitz: Das A und O gefühlvollen Reitens

29.01.2016

Ein zügelunabhängiger Dressur-, Grund- oder Balancesitz ist die Basis allen harmonischen und sicheren Reitens. Dies gilt unabhängig von der Reitsparte in der Du Dich bewegst. Im Rahmen einer guten Ausbildung stehen immer beide Individuen – der Reiter und das Pferd – im Zentrum der Betrachtung, denn stockt es in diesem vertikalen und horizontalen Gebilde auch nur an einem einzigen Baustein, wird die angestrebte Verbundenheit zwischen beiden gar nicht erst entstehen können.

Wünschen wir uns also ein im Gleichgewicht gehendes und auf unsere Reiterhilfen hin durchlässiges Pferd, so ist die Grundvoraussetzung hierfür, dass wir zunächst einmal gelernt haben uns sicher auf dem Pferderücken auszubalancieren. Und ein Sitzgefühl zu bekommen. Keine leichte Aufgabe, verlangt uns das Reiten neben der mentalen Komponente auch ein hohes Maß an eigener körperlicher Fitness, Durchlässigkeit und Losgelassenheit, sowie Koordinationsfähigkeit ab.

So werden wir realistisch betrachtet erst dann auf unser Pferd einen feinen Einfluss nehmen können, wenn wir gelernt haben, unseren eigenen Körper präzise zu justieren – je nachdem wie es die Situation erfordert. Dieses (Körper-)Gefühl um einen zügelunabhängigen, losgelassen Sitz zu erlangen, dafür bedarf es einer jahrelangen Schulung. Hierfür hat sich die Arbeit an der Sitzlonge – welche auch für Reiter fortgeschrittenen Stadiums zur Sitzkontrolle sinnvoll ist – um das empfindsame Pferdemaul zu schonen, bewährt. Der Reiter kann sich in diesem Stadium ganz auf sich selbst konzentrieren, ohne das Pferd in Gangart, Tempo oder Richtung bestimmen zu müssen. Ein gut geschulter Ausbilder lehrt seinem Schüler in dieser Zeit Schritt für Schritt wie dieser seinen Körper, ohne sich am Zügel festzuhalten, ausbalancieren kann. Ist dies in allen drei Grundgangarten gut abgesichert, entlässt er ihn „in die Freiheit“. Ein fein ausgebildetes Lehrpferd steht dem Trainer hilfreich zur Seite und vermittelt dem Schüler zusätzlich immer wieder durch sein freundliches Feedback, wie es sich „richtig“ anfühlen soll.

Im Folgenden wird dieser durch ein immer wieder In-sich-Hineinfühlen ein gutes eigenes Körpergefühl erlangen. Dabei gestaltet es sich zur eigenen Sitzkorrektur als äußerst hilfreich, jemanden zu bitten, einen in regelmäßigen Abständen zu filmen.

Beobachte zudem so oft es geht fortgeschrittene Reiter mit einem sehr guten Sitz oder Deinen Ausbilder beim Reiten – suche Dir Vorbilder. Du schulst dadurch Dein inneres Bild und wirst dies dann viel leichter auf den eigenen Sitz übertragen können. Nicht zuletzt: Sei geduldig mit Dir selbst – richtig sitzen zu lernen braucht seine Zeit und man lernt niemals aus!

Wie innen so außen

Neben einer guten Körperhaltung äußert sich ein guter Sitz auch in einer entspannten Haltung. Pferde sind nicht nur in der Lage, auf die feinste Hilfengebung durch unseren Körper hin zu „antworten“, sie spüren auch unsere innere Einstellung und nehmen Gefühle wie Angst, Freude oder Stress des Reiters durch ihre sensiblen Sinne wahr. Selbst wenn dieser im Sattel sitzt, merken Pferde unmittelbar, wie die Stimmung ihres Menschen ist. Denn diese wird durch unseren Körper nach außen hin gewissermaßen transportiert: Ist die Muskulatur locker und entspannt? Schlägt das Herz schneller oder wird durch Stress und Angst mehr Schweiß produziert? Die Pferde erkennen es sofort und reagieren darauf – mit Vertrauen oder indem sie selbst plötzlich scheinbar ohne Grund ängstlich und gestresst sind. Dadurch kann es leider schneller zu einer Verletzung kommen. Damit Du gut geschützt bist, solltest Du darauf achten, eine gute Pferde-Versicherung abzuschließen.

Ein unsicherer, wenig ausbalancierter oder verkrampfter Sitz und unzweckmäßige Gedankengänge können demzufolge das Pferd aus dem Gleichgewicht bringen und bei ihm ein psychisches wie physisches Unwohlsein oder gar Abwehrreaktionen hervorrufen. Erhielt das Pferd jedoch eine gute Ausbildung durch einen erfahrenen Reiter, der ihm die Sprache der Hilfen verständlich vermitteln konnte und hat sich der Reitschüler ebenfalls mit Hilfe eines fähigen Ausbilders mit Ruhe, Zeit und Geduld einen sicheren Sitz erarbeitet, ist es im Umkehrschluss möglich, so in Einklang mit dem Pferd zu kommen, dass es beinahe nur auf den Gedanken seines Reiters reagiert.

Ein guter Sitz hat nicht nur ästhetischen Wert, er bedeutet auch aktiven Tierschutz!

Deine Nicole Künzel

Nicole Künzel bildet Mensch und Pferd in der klassischen Reitkunst aus. Freude, Leichtigkeit und Harmonie sowie eine positive Grundeinstellung sind Werte, die sie ihren Schülern vermitteln möchte. Neben der Pferdeausbildung ist das Schreiben ihre weitere Leidenschaft. Sie ist Autorin mehrerer Pferdefachbücher und gründete 2014 den evipo Verlag evipo-verlag.com. In Hannover etablierte sie ihr eigenes Ausbildungszentrum evipo evipo.de.

Mehr davon im neuen Buch von Nicole Künzel “Mit Sicherheit richtig verstanden”.

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