Zugegeben, kaum etwas ist niedlicher anzusehen als kleine, weiße Kätzchen mit strahlend blauen Augen. Ganz unproblematisch ist dieser spezielle Phänotyp bei Katzen allerdings nicht. Vielleicht hast du schon mal davon gehört, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine weiße Katze taub ist, besonders hoch ausfällt. Statistisch noch größer wird dieses Risiko, wenn eine Kombination aus weißem Fell und blauen Augen vorliegt. Aber woran liegt das eigentlich?
Taubheit bei Katzen: Eine Frage der Gene
Ist eine weiße Katze taub, liegt mit großer Wahrscheinlichkeit eine angeborene Taubheit vor. Dem gegenüber steht eine im späteren Leben erworbene Taubheit oder Schwerhörigkeit, zum Beispiel verursacht durch Unfälle oder Ohrentzündungen, was Katzen jeglicher Couleur gleichermaßen treffen kann.
Wenn eine weiße Katze taub ist – und zwar von Geburt an –, ist in der Regel ein Defekt des sogenannten W-Gens schuld, das für die weiße Fellfarbe zuständig ist. Um zu verstehen, wie genau das Problem zustande kommt und wie man die Zucht tauber Katzen vermeiden kann, muss man sich ein bisschen mit Genetik befassen. Keine Sorge, wir halten es kurz:
Wie andere körperliche Merkmale wird auch die Fellfarbe einer Katze von den Genen bestimmt. Verantwortlich für weißes Fell ist der Genort W, da hier die Gene liegen, die die weiße Pigmentierung festlegen. Die Elterntiere geben jeweils eine Genvariante (Allel) an den Nachwuchs weiter. Unterschieden werden bezüglich einer Weißfärbung des Fells die Genvarianten:
- W (White bzw. DW für Dominant White): für weißes Fell, wird dominant vererbt, setzt sich also gegen andere Genvarianten durch
- Ws (Weiß-Gescheckt): für weiß-geschecktes Fell, dominant gegenüber w
- w (non-white): normale Fellfärbung und -musterung je nachdem, welche weiteren Gene für die Fellpigmentierung vorliegen
Handelt es sich auch nur bei einem der beiden vererbten Allele um die Genvariante W, ist die Katze weiß. Unabhängig ist dies davon, ob daneben die Genvariante Ws oder w vererbt wurde, da W nicht nur dominant gegenüber Ws und w ist, sondern auch alle anderen Pigmentierungsgene überdeckt. Das heißt im Umkehrschluss, dass bei weißen Katzen allein anhand der Optik nicht erkennbar ist, wie genau der Genotyp aussieht.
Das Problem ist nun, dass der W-Gendefekt nicht nur dafür sorgt, dass die Katze weißes Fell hat. Es kann außerdem Taubheit oder Schwerhörigkeit zur Folge haben. Das hängt damit zusammen, dass aufgrund des Gendefekts das sogenannte Corti-Organ im Innenohr fehlt, das für die Verarbeitung akustischer Signale benötigt wird. Besonders häufig ist dies bei Katzen mit blauen Augen der Fall.
Während das Allel W stets eine weiße Fellfarbe erzeugt, ist eine Störung des Gehörs nicht immer vorhanden. Das größte Risiko, dass die weiße Katze taub ist, besteht dann, wenn das Tier W-homozygot ist, also die entsprechende Genvariante von beiden Elterntieren mitbekommen hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Katze mit der W-Genvariante schwerhörig oder taub ist, fällt deutlich höher aus als bei Tieren, die den Gendefekt nicht aufweisen, also den Genotyp w/w haben. Man geht davon aus, dass 60 bis 80 % der weißen Katzen mit W-Gen, die zwei blaue Augen haben, taub geboren werden. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für Beeinträchtigungen des Sehsinns bei blauäugigen Katzen, wenn die Augenfarbe durch den W-Gendefekt hervorgerufen wird. Insbesondere das Sehvermögen bei Dämmerung und Dunkelheit kann erheblich eingeschränkt sein.
Qualzucht vermeiden: Das musst du wissen
Dem Deutschen Tierschutzgesetz zufolge sind Züchtungen, die dem Tier körperliche Leiden verursachen beziehungsweise eine Einschränkung der Körperfunktionen zur Folge haben, verboten. Darunter fällt demnach auch das bewusste Herauszüchten weißer Katzen und weiß-gescheckter Katzen mit dem für Taubheit und Schwerhörigkeit verantwortlichen Gendefekt. Um das Risiko angeborener Hörschädigungen so gering wie möglich zu halten, sollten zwei Katzen mit dem W-Gen nicht gepaart werden. Möchtest du dir eine weiße Katze anschaffen, empfiehlt sich ein Hintergrundcheck der Elterntiere. Per DNA-Test ist es möglich, den Genotyp zu ermitteln.
Der W-Gendefekt kann theoretisch Katzen jeder Art betreffen. Doch gibt es einige Rassen, bei denen ein vermehrtes Aufkommen zu beobachten ist, weil sie oft in den Farben Weiß und Weiß-Gescheckt gezüchtet werden. Dazu gehören zum Beispiel diese Rassen:
- Türkisch Angora
- Perser
- Maine Coon
- Britisch Kurzhaar
- Russian White
Verhaltensregeln: Tipps für den Umgang mit tauben Katzen
Taubheit bedeutet erhebliche Einschränkungen für deine Katze, vornehmlich im Bereich der Kommunikation und Orientierung. Ist deine weiße Katze taub, ist das mit hoher Wahrscheinlichkeit von Geburt an der Fall, daher kennt sie es sozusagen nicht anders. Probleme ergeben sich dennoch. Bei Freigängerkatzen beispielsweise besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko, da Gefahren wie nahende Autos nicht gehört werden können. Es empfiehlt sich, taube Katzen in der Wohnung zu halten oder zumindest sicherzustellen, dass der Auslauf im Freien in einem abgesicherten Rahmen – etwa im eingezäunten Garten – stattfindet.
Darüber hinaus gilt es, die akustische Kommunikationsebene, die durch die Taubheit entfällt, anderweitig zu kompensieren. Das kann zum Beispiel mittels Gestik und Mimik erfolgen, aber auch durch eine Extraportion Streicheleinheiten. Grundsätzlich ist es wichtig, tauben und schwerhörigen Katzen ein sicheres, behagliches Umfeld zu bieten und darauf zu achten, sie nicht zu erschrecken, also etwa plötzliches Annähern oder gar Hochheben von hinten zu vermeiden.
Fazit
Dass eine weiße Katze taub ist, ist wegen der besprochenen genetischen Prädisposition nicht unwahrscheinlich, deshalb ist es wichtig, dass Zuchtverbände, Züchtende sowie Katzenhalter und -halterinnen verantwortungsvoll agieren. Zusammengefasst noch einmal die wichtigsten Punkte:
- Nicht alle weißen Katzen sind taub, aber die meisten Katzen mit angeborener Taubheit sind weiß.
- Ein besonders großes Risiko für Taubheit haben W-homozytogene Katzen mit weißem Fell und blauen Augen, die zudem unter Einschränkungen des Sehvermögens leiden können.
- Ist eine weiße Katze taub, sollte sie nicht zur Zucht zum Einsatz kommen.
- Auch weiße Katzen ohne Gehörschädigung können taube Kitten hervorbringen, wenn sie Träger für die W-Genvariante sind.
- Weiße Katzen und weiß-gescheckte Katzen sollten nicht gepaart werden, da ebenfalls ein hohes Risiko für Schwerhörigkeit und Taubheit besteht.
- Bewusste Züchtung von Katzen mit den genannten Risikofaktoren gilt als Qualzucht und stellt einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar.
Auch wenn leicht der Eindruck entstehen kann, dass taube Katzen gut mit ihrem Handicap zurechtkommen, ist ihnen ein artgerechtes Leben, so wie es andere Katzen führen, nicht in vollem Umfang möglich. Angeborene Taubheit ist unheilbar, daher leidet das Tier lebenslang unter seinen eingeschränkten sensorischen Fähigkeiten.
FAQ – häufig gestellte Fragen zu Taubheit bei weißen Katzen
Sind alle weißen Katzen taub?
Nein, nicht alle weißen Katzen sind taub und nicht alle tauben Katzen sind weiß. Aufgrund der besonderen Ausprägung des W-Gens besteht allerdings ein deutlich erhöhtes Risiko für Merkmalsträger, taub oder schwerhörig zur Welt zu kommen.
Woran erkenne ich, ob meine weiße Katze taub ist?
Um herauszufinden, ob deine weiße Katze taub ist, kannst du einfach überprüfen, wie sie auf Geräusche und Annäherung reagiert. Wenn du dich von hinten annäherst, den Namen deiner Katze sagst und typische Lockgeräusche machst, sollte sie – sofern sie hören kann – reagieren. Typischerweise drehen sich die Ohren in die Richtung, aus der die Geräusche kommen, oder die Katze blickt dich direkt an. Eine Berührung – auch bei Annäherung von außerhalb des Sichtfeldes – sollte nach akustischer Ankündigung möglich sein, ohne dass die Katze erschrickt. Wenn das alles nicht der Fall ist, also keinerlei Reaktionen auf Geräusche zu erkennen sind und sie bei Körperkontakt sichtlich zusammenzuckt, deutet das darauf hin, dass mit dem Gehör etwas nicht stimmt oder vielleicht sogar eine Taubheit vorliegt. Ein möglicher Hinweis, dass die Katze taub ist, kann auch vermehrtes und besonders lauten Schreien und Miauen sein. Das hat einfach damit zu tun, dass sich die Katze selbst nicht hören kann.
Ist Taubheit bei Katzen heilbar?
Angeborene Taubheit bei Katzen ist genetisch bedingt und nicht heilbar. Liegt ein vermindertes Hörvermögen aufgrund akuter Erkrankungen oder Verletzungen vor, kann es möglich sein, dass sich das Gehör nach Genesung wieder erholt, aber das hängt ganz von den individuellen Umständen ab. In jedem Fall sollte tierärztlicher Rat eingeholt werden, wenn du den Verdacht hast, dass deine Katze taub ist oder schlecht hört. Tipp: Eine Katzenkrankenversicherung schützt dich vor hohen Tierarztkosten, die durch Diagnostik, Behandlungen und vielleicht sogar notwendige Operationen entstehen können.
Worauf muss ich achten, wenn meine weiße Katze taub ist?
Ist deine weiße Katze taub, dann liegt wahrscheinlich ein Gendefekt vor, was bedeutet, sie konnte noch nie hören. Von Geburt an taube Katzen kommen in der Regel gut zurecht, nur gilt es, einige Besonderheiten im Umgang zu beachten. Du solltest auf eine sichere Umgebung achten, dich vorsichtig nähern, um sie nicht zu erschrecken, und alternative Kommunikationswege finden, etwa durch Gestik, Mimik, Vibration (vernehmbare Fußschritte) oder dergleichen.