Erziehung und Training

Sicheres Aufsteigen: Eine unterschätzte Schlüsselübung

21.07.2025

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„Die erste Übung in unserem Handbuch TGT®-Ausbildung REITEN ist – ganz bewusst – das sichere, ruhige Aufsteigen vom Aufstiegbock aus. Eine scheinbar banale Handlung, die jedoch weitreichende Bedeutung für Vertrauen, Kommunikation und Sicherheit zwischen Pferd und Reiter hat“, erklärt Peter Kreinberg. In der Praxis zeigt sich immer wieder: Fehlende Vorbereitung führt zu Unsicherheit, Widerstand und sogar Unfällen. Dabei ist ein gelungener Aufstieg eine direkte Folge solider Bodenarbeit – und damit eine logische Fortsetzung unserer kommunikativen Grundschule mit dem Pferd (TGT® Bodenschule).

Reiteinheit positiv starten

Ein vertrauensvoller, ruhiger und kontrollierter Einstieg in die Reitarbeit ist nur möglich, wenn die Grundlagen – Vertrauen und Verständigung – sowohl beim Aufsteigen als auch unmittelbar danach gelegt sind. Der Pferdemensch sollte dafür bestimmte Fähigkeiten zusammen mit dem Pferd erarbeitet haben.

Das Pferd sollte:
  • Berührungen mit der Gerte akzeptieren, ohne zu antizipieren oder auszuweichen;

  • Berührungen im Maulbereich mit Gebiss oder am Kopf über Halfter verstehen, interpretieren und Bewegungen darauf bewusst ausführen können;

  • gelernt haben, dass der Mensch seinen Standort um es herum ändern kann, ohne dass es antritt, nervös wird oder losläuft;

  • vertraut sein im Umgang mit körperlichem Kontakt und Druck;

  • ein Hilfensystem von Berührung, Ausführung der Hilfe, Abwarten auf den nächsten Impuls usw. erlernt und verstanden haben 

  • sich im „Hilfenrahmen“ willig begrenzen lassen und ruhig warten.

Aus Verständnis erwächst Vertrauen – und Verständnis wird durch Verständigung erarbeitet. Deshalb Obacht: Nur Vertrauen, dass das Pferd es schon richtig macht, wenn man nur wartet, ist nicht zielführend in der Pferdeausbildung. Pferde sind auf unsere Verständigung, also auf unsere Handlungen und unsere positive Führung angewiesen.

Sicherheitsrisiko Aufstieg wird leider oft unterschätzt

Unzählige Unfälle passieren beim Aufsteigen, aber sie sind häufig vermeidbar.

Peter Kreinberg berichtet aus vier Jahrzehnten Berufserfahrung: „Vom Wegkippen der Trittleiter über das Davonstürmen des Pferdes bis zum Sturz durch verpasste Steigbügel – ich habe alles gehört. Und oft war ein unerfahrener Helfer ebenfalls betroffen.“Umso erstaunlicher: In 40 Jahren TGT®-Seminaren gab es nur einen einzigen relevanten Unfall – ein Bruch des Mittelhandknochens durch ungeschicktes, reflexhaftes Gegenschlagen gegen den Sattelknauf nach einem unglücklich verfehlten Steigbügel beim Aufsteigen. Nurt systematische Vorbereitung und Übung  bringt echte Sicherheit.

Typische Fehlerquellen beim Aufstieg und wie du sie vermeidest

Hier einige häufige Probleme mit praktischen Lösungsansätzen für deine Arbeit am Pferd:

Wo und wie steige ich auf?

Wähle einen ruhigen, vertrauten Ort. In fremder Umgebung zuerst Bodenschule abrufen, dann kontrolliert arbeiten an der Aufstiegshilfe. Übe im Freiraum und vorerst nicht an der Bande.

Wie platziere ich den Aufstiegbock sinnvoll?

Stelle den Bock stabil auf festen, ebenen Boden – nicht auf rutschigem Untergrund oder unebenem Gelände. Achte auf genug Platz zu allen Seiten, damit sich das Pferd nicht eingeengt fühlt.

Wie sollte der Aufstiegbock beschaffen sein?

  • Standfest, kippsicher, möglichst mit großer Trittfläche
  • Nicht zu leicht (damit er nicht verrutscht oder schnell umkippt)
  • Keine offenen Streben, in die das Pferd mit dem Huf geraten könnte

Was hat das Pferd bereits gelernt und was nicht?

Beobachte das Pferd genau:
  • Kennt es Druck und Entlastung am Sattel?
  • Hat es gelernt, stehenzubleiben, auch in ungewohnter Umgebung?
  • Senkt es den Kopf entspannt ab, lässt es sich seitlich stellen oder zurück richten?
  • Lässt  es sich gefühlvoll mit der Gerte einzelne Schritte dirigieren?

Wichtige Vorstufen zur Vorbereitung

Diese Elemente solltest du vor dem ersten Aufsteigen systematisch mit deinem Pferd üben:

  • Stehenbleiben, auch länger – im Freiraum, an der Bande, an verschiedensten Orten im Halfter oder Zügelkontakt
  • kontrolliertes seitliches Vor- und Rückwärtstreten – für spätere feine Führung am Bock
  • Kopfabsenken und Position halten – für mentale Ruhe und Rückenentspannung
  • Wechsel der Seiten – ohne Unruhe, ohne große Halsbewegungen des Pferdes
  • Berührungen akzeptieren mit der Ausrüstung – am Widerrist, Bauch und Maul

Peter zeigt im Video authentische Arbeit mit einem jungen Lusitano, der noch nicht geritten ist. Das Pferd wurde bereits in ruhiger Arbeit daheim am Boden gut vorbereitet. Im Seminar mit den ungewohnten Außenreizen in fremder Umgebung reagierte es wie alle jungen Pferd zunächst abgelenkt und unruhig. Peter Kreinberg gab dem Wallach in dieser neuen Situation Hilfestellung und Vertrauen – eine wichtige Lernerfahrung für das Pferd und die Zuschauer.

Zum Schluss Fragen, die du dir stellen solltest

Steht mein Pferd wirklich still – oder nur, weil ich es festhalte oder nur aus Gewohnheit?

Ziel ist, dass das Pferd freiwillig stehen bleibt, nicht durch Zwang.

Bin ich körperlich balanciert beim Aufsteigen?

Nimm dir Zeit für deine eigene Beweglichkeit und Koordination. Auch du bist Teil des Systems.

Was macht mein Pferd, wenn ich auf dem Bock stehe?

Beobachte genau – Spannung, Unruhe oder Antizipation sind Zeichen, dass noch etwas fehlt.

Was muss ich tun, damit der nächste Schritt der „richtige“ wird?

Schaue voraus und platziere deine Hilfen so, dass dein Pferd es einfach hat.

Fazit

Aufsteigen ist der erste Dialog – kein technischer Akt. Ein gut vorbereitetes Aufsteigen zeigt, wie gut die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd funktioniert. Wer hier gründlich arbeitet, legt den Grundstein für Vertrauen, Sicherheit und echtes Miteinander im Sattel.

Uelzener-Tipp von Peter Kreinberg: Sicheres Aufsteigen – eine unterschätzte Schlüsselübung. Im Original erschienen auf The Gentle Touch

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