Die Piaffe ist eine der beeindruckendsten und anspruchsvollsten Lektionen in der klassischen Reitkunst. Sie verkörpert Eleganz und Präzision und ist ein Abbild höchster Versammlung. Selbst für erfahrene Dressurreiter und Dressurreiterinnen stellt sie eine Herausforderung dar. Was genau die Piaffe ist, wie sie erlernt wird und welche Bedeutung sie in der Pferdedressur hat, erfährst du in diesem Artikel.
Was ist die Piaffe?
Im Grunde ist die Piaffe ein stark versammelter Trab auf der Stelle, bei dem das Pferd rhythmisch und kontrolliert im diagonalen Zweitakt tritt. Die Hinterhand – also das hintere Drittel des Pferdekörpers – tritt dabei vermehrt unter seinen Schwerpunkt. Aufgrund der starken Versammlung bewegt sich das Pferd bei dieser Lektion nicht oder nur minimal nach vorne.
Ein gut ausgebildetes Pferd bewegt sich bei der Piaffe scheinbar leicht und schwebend und vermittelt den Eindruck völliger Kontrolle und Harmonie mit dem Menschen. Es zeigt dabei, dass es in der Lage ist, sich vollständig selbst zu tragen und feinsten Hilfen des Reiters bzw. der Reiterin zu folgen. Die Piaffe symbolisiert also das Ideal der Dressur: ein Pferd, das harmonisch und losgelassen in perfekter Balance bewegt wird.
Schon die sogenannten Meister der Reitkunst wie Gustav Steinbrecht oder François Robichon de la Guérinière, deren Werke als Grundlage für die klassische Reitkunst gelten, hoben die gymnastizierenden Eigenschaften der Piaffe hervor.
Bedeutung der Versammlung für die Piaffe
Die Piaffe gilt als Höhepunkt der Versammlung. Versammlung bedeutet, dass das Pferd die Hanken, also die großen Gelenke der Hinterhand (Hüft-, Knie- und Sprunggelenke), beugt und vermehrt das Gewicht auf die Hinterhand verlagert. Der Rücken und das Genick werden dabei aufgewölbt und der Hals aufgerichtet. Es ist also ein Absenken der Hinterhand und ein gleichzeitiges Anheben der Vorderhand erkennbar.
Die Versammlung ist für Pferde in allen Sportarten von Bedeutung, denn sie fördert die Entwicklung von Tragkraft, Selbsthaltung und Balance. Die empfindliche Vorderhand, die in natürlicher Haltung etwa 60 Prozent des Gesamtgewichts trägt, wird entlastet, was es dem Pferd ermöglicht, die für die Piaffe nötige Kraft aus der Hinterhand zu entfalten, ohne dabei nach vorne oder nach hinten auszuweichen.
Die Versammlung in der Ausbildung
Um die Versammlung als Konzept zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Ausbildungsskala der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Dabei handelt es sich um ein Ausbildungssystem, das dazu dient, ein Pferd in logischer Folge und auf gesundem Weg zu trainieren und es gehorsam sowie leistungsbereit zu machen. Die Versammlung steht nach den Stufen Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung und Geraderichtung am Ende der Skala.
Die ersten fünf Stufen der Skala bauen zwar in gewisser Weise aufeinander auf, entwickeln sich jedoch in der Regel auch parallel und gehen teilweise auseinander hervor. Die Versammlung kann allerdings tatsächlich als „Krönung” des Ganzen betrachtet werden. Um sie gezielt zu trainieren, sollten die vorherigen Punkte der Skala beherrscht werden. Doch versammlungsfördernde Elemente finden sich ohnehin in zahlreichen Basisübungen wieder, so dass der Grundstein schon früh gelegt werden kann.
Stellenwert der Piaffe in der Dressur
Die Piaffe ist ein Bestandteil der „Hohen Schule” des Pferdesports. Diese bezeichnet das höchste Niveau der Dressur. Genauer gesagt zählt sie neben fliegenden Galoppwechseln, Pirouetten und Passagen zur Hohen Schule „auf der Erde”, da sich der Pferdekörper dabei nicht bedeutend vom Boden entfernt. Reitinstitutionen wie die Spanische Hofreitschule in Wien bieten die Möglichkeit, diese beeindruckenden Lektionen in Aktion zu sehen.
Ab der Dressurklasse S** – der dritten Stufe der schweren Klassen – wird die Piaffe in Prüfungen verlangt. Sie ist darüber hinaus ein essenzieller Bestandteil des angesehenen internationalen Grand Prix, wo sie sogar doppelt gewertet wird. Korrekt ausgeführt gilt sie als Ausdruck von höchstem Können sowohl des Pferdes als auch des Reiters oder der Reiterin.
Die Piaffe erlernen
Die Piaffe birgt ein erhebliches Fehlerpotenzial. Da bei der Ausführung viele Einzelheiten beachtet werden müssen, ist es sinnvoll, einen Trainer oder eine Trainerin zu Rate zu ziehen und sich eine neutrale und professionelle Einschätzung darüber geben zu lassen, ob das Pferd bereit für die Piaffe ist und an welchen Stellen geschraubt werden muss, damit das Piaffieren klappt.
Doch bevor es mit der Piaffe losgehen kann, muss die richtige Basis geschaffen werden. Ein Pferd mit unzureichender Muskulatur wird zum Beispiel nicht in der Lage sein, diese Lektion korrekt und auf gesunde Weise auszuführen. Der Fokus bei der Vorbereitung sollte also zum einen auf dem Muskelaufbau und zum anderen auf versammelnden Übungen liegen.
Übungen für den Weg zur Piaffe
Diese Übungen können die Versammlungsfähigkeit des Pferdes fördern und so die Basis für die Piaffe schaffen:
- Reiten in Stellung: Das Pferd ist dabei um den inneren Schenkel gebogen, also gestellt. Da die Hinterbeine schmaler fußen, nimmt das äußere Hinterbein mehr Last auf.
- Halbe Paraden: Kurze, feine Zügelhilfen kombiniert mit treibenden Schenkelhilfen, um das Pferd aufzurichten, die Hinterhand zu aktivieren und die Aufmerksamkeit auf den Menschen und seine Hilfengebung zu lenken, ohne das Vorwärtsmomentum zu verlieren.
- Übergänge: Übergänge zwischen den Gangarten, aber auch innerhalb der Gangarten, etwa in Form von Schrittverlängerungen und -verkürzungen, fördern die Aktivierung der Hinterhand.
- Rückwärtsrichten: Das Pferd wird dabei kontrolliert rückwärts bewegt. Es muss sein Gewicht vermehrt auf die Hinterhand verlagern, was dessen Tragfähigkeit verbessert. Das Antraben aus dem Rückwärtsrichten fördert die Lastaufnahme der Hinterhand noch weiter.
- Volten: Das Pferd nimmt in der Volte, aufgrund der Dehnung der Außenseite, mit dem inneren Hinterbein mehr Last auf, wodurch die Hinterhand gestärkt wird.
- Zirkel verkleinern und vergrößern: Die Hinterhand ist bei dieser Übung äußerst aktiv, da das Pferd mehr Last mit dem inneren Hinterbein aufnehmen muss, je kleiner der Zirkel wird. Der Zirkel sollte nur so weit verkleinert werden, dass das Pferd die Balance halten kann.
- Schulterherein: Das Pferd bewegt sich auf drei Hufschlägen seitwärts. Es ist währenddessen entgegen der Bewegungsrichtung gestellt. Das Schulterherein veranlasst das Pferd dazu, mit dem inneren Hinterbein unter den Schwerpunkt zu treten. Diese Lektion erfordert bereits ein gewisses Maß an Versammlung, ist also weniger etwas für Pferde, die noch ganz am Anfang stehen.
Zu Beginn sind versammelnde Übungen noch sehr anstrengend für das Pferd. Vergleichbar sind sie mit einer Kniebeuge, die über längere Zeit gehalten werden soll. Je länger die Position gehalten wird, desto mehr Kraft kostet es und es entsteht die Tendenz, dies durch eine falsche Körperhaltung zu kompensieren. Es kann daher sinnvoll sein, die Versammlung zunächst vom Boden aus zu üben, bevor zusätzliches Gewicht auf dem Rücken dazukommt. Zudem sollten die Übungen eher kurz gehalten sein und es sollte zwischendurch immer wieder Entlastungen geben, etwa durch entspanntes Vorwärtsreiten, Stehenbleiben am langen Zügel und regelmäßige Handwechsel.
Anforderungen an Reiter und Reiterinnen für eine gelungene Piaffe
Für die Piaffe müssen Reiter und Reiterinnen über ein hohes Maß an Gefühl, Balance und Körperbeherrschung verfügen. Eine feine und präzise Hilfengebung sowie eine zügelunabhängige Reitweise sind entscheidend für die korrekte Ausführung der Lektion. Der Reiter oder die Reiterin muss lernen, das Pferd in der richtigen Haltung zu unterstützen, ohne es zu blockieren. Ein ausbalancierter Sitz ist wichtig, da eine falsche Gewichtsverlagerung auch das Pferd aus der Balance bringen kann. Geduld, ein klares Verständnis für die physischen Anforderungen der Piaffe sowie die Fähigkeit, das Pferd mental zu motivieren, spielen ebenfalls eine zentrale Rolle.
Fehler beim Piaffen-Training
Beim Training dieser anspruchsvollen Lektion können verschiedene Fehler auftreten. Oft sind diese das Resultat von einem falschen Verständnis der Piaffe, Missverständnissen zwischen Mensch und Pferd oder mangelhafter Ausbildung.
Hier ist eine Auswahl an Fehlern, die es zu vermeiden gilt:
- Überforderung: Wenn zu früh zu viel verlangt wird, kann das Pferd schnell körperlich und mental überfordert werden. Überstürztes Training führt häufig auch zu fehlerhaften Ausführungen. Daher sollte mit viel Geduld und in kleinen Schritten gearbeitet werden.
- Unzureichende Vorbereitung: Ohne eine solide Basisarbeit in der Versammlung und zu wenig Kraft und Balance des Pferdes kann keine korrekte Piaffe entwickelt werden.
- Falsche Vorstellungen: Manche Reiter und Reiterinnen versuchen, ihr Pferd zu versammeln, indem sie den Kopf mithilfe der Zügel in die „korrekte” Position ziehen – doch das ist mehr Schein als Sein, denn eine korrekte und gesunde Versammlung wird nur durch genügend Gymnastizierung, ausreichenden Muskelaufbau und viel Übung erreicht. Alles andere kann zu Verkrampfungen, Verspannungen und im schlimmsten Fall zu Verletzungen führen.
- Zu starke Belastung der Hinterhand: Ein häufiges Problem ist eine zu schwache Belastung der Hinterhand – doch auch das Gegenteil kann der Fall sein. Eine übertriebene Beugung der Gelenke und ein zu weites Untertreten können die Hinterhand sogar schwächen.
- Heraustreten der Hinterhand: Eine heraustretende Hinterhand und ein damit einhergehender durchhängender Rücken beim Piaffieren ist ein klares Anzeichen dafür, dass keine ausreichende Versammlung besteht. Nicht nur, dass eine solche Piaffe eher zappelig als eindrucksvoll wirkt, sie kann auch gesundheitsschädigend für das Pferd sein.
- Falsche Hilfengebung: Zu starke, zu viele und unklare Hilfen können das Pferd überfordern, verwirren und zu Abwehrreaktionen führen. Nur ein präzises und feinfühliges Zusammenspiel der Körperhilfen ermöglicht eine korrekt ausgeführte Piaffe.
Selbst mit viel Vorwissen und Übung können Fehler und Unfälle passieren. Um im Ernstfall abgesichert zu sein, empfiehlt sich der Abschluss einer Pferdekrankenversicherung oder Pferde-OP-Versicherung. Sie schützt vor hohen Tierarztkosten, so dass Halter und Halterinnen keine finanziellen Belastungen fürchten müssen.
Fazit
Der Weg zur erfolgreichen Piaffe ist lang und erfordert nicht nur eine solide Grundausbildung und gezielte Vorbereitung, sondern auch ein hinreichendes Wissen über die Anforderungen, eine feinfühlige Hilfengebung und Geduld. Fehler können schnell passieren, daher ist es entscheidend, sorgfältig und systematisch vorzugehen, um sowohl eine körperliche als auch mentale Überforderung des Pferdes zu vermeiden. Die Piaffe ist eine wahre Prüfung der Dressurkünste, die Präzision, Finesse und Können auf höchstem Niveau erfordert.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Piaffe
Wie lange dauert es, bis ein Pferd die Piaffe beherrscht?
Das hängt maßgeblich vom Trainingsstand des Pferdes, der Erfahrung des Reiters oder der Reiterin und der generellen Eignung ab. Zwar ist das Piaffieren für fast jedes Pferd möglich, jedoch bringen manche Tiere aufgrund genetischer Faktoren bessere Voraussetzungen für versammelnde Lektionen mit als andere. Allein die vorbereitende Arbeit kann sich über Monate bis Jahre hinziehen. Geduld und eine solide Grundausbildung sind für den Erfolg entscheidend.
Welchen Einfluss hat der Trainingsboden auf die Piaffe?
Ein gleichmäßiger, elastischer Trainingsboden schützt die Gelenke des Pferdes und ermöglicht eine optimale Kraftentfaltung der Hinterhand. Ein zu harter oder rutschiger Boden kann die Ausführung der Piaffe erschweren und die Belastung der Gelenke verstärken.
Sollte ich Hilfsmittel für das Training nutzen?
Dahingehend spalten sich – wie so oft im Reitsport – die Geister. Während die einen auf das Erlernen der Piaffe durch das Touchieren der Beine oder der Kruppe mit der Gerte schwören, lehnen die anderen den Einsatz dieses Hilfsmittels vehement ab. Es ist sinnvoll, solche Themen mit einem Trainer oder einer Trainerin zu besprechen.