Ein Pferd schießt mit seinem Vorderbein einen blauen Ball. Es bekommt dabei Anweisungen von einer Frau.
Erziehung und Training

Gemeinsam vorankommen: Das „Wir-Gefühl“ stärken

20.03.2025

Wer wünscht sich das nicht – ein gelassenes, motiviertes Pferd, auf das Verlass ist. Ob im Sattel oder im Umgang am Boden, eine harmonische Partnerschaft kann sich nur entwickeln, wenn sich beide Partner wohl fühlen. Und um sich wohl fühlen zu können, muss man sich vor allem sicher fühlen.
Dieses wichtige Sicherheitsgefühl ist nicht selbstverständlich, es muss sich bei Reiter*in und Pferd erst einmal entwickeln, damit beide mögliche Schrecksituationen souverän bewältigen können.

Gute Erfahrungen stärken das Selbstvertrauen

Da Pferde als Fluchttiere einen sehr starten Selbstschutzinstinkt haben, reagieren sie auf unbekannte Eindrücke schreckhaft und mit Meideverhalten. Oft reicht schon eine solche Begebenheit, um einen nachhaltigen negativen Eindruck zu hinterlassen und kann sogar zu einer dauerhaften und oft diffusen Schreckhaftigkeit führen.

Ein sinnvolles Vorbereitungstraining zur rechten Zeit kann solchen negativen Entwicklungen vorbeugen. Es kann von jeder Pferdebesitzerin oder jedem Besitzer auch selbst mussdurchgeführt werden und ist nicht sehr aufwendig.

Die Natur hat jedem Pferd ein entsprechendes instinktives Lernverhalten mitgegeben – den natürlichen Erkundungstrieb. Pferde haben ein starkes Interesse, Unbekanntes oder Ungewohntes zu überprüfen, um herauszufinden, ob es gefährlich ist oder nicht. In einem Herdenverband geschieht das häufig interaktiv im Zusammenspiel mit erfahreneren Herdenpartner, die ein gewisses Sicherheitsgefühl vermitteln.

Haben sie dann die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Situationen keine unangenehmen Auswirkungen für sie haben, so werden die zukünftig auch im Alleingang souverän und angstfrei bewältigt. Das Selbstvertrauen und das Sicherheitsgefühlt wurde gestärkt.

Die Aufmerksamkeit gewinnen

In der Mensch-Pferd-Beziehung kannst du die Herdenlogik nutzen: Bei Bodenarbeit mit Halfter und Leitseil übernimmst du ruhig und klar die Führung. Mit etwas Planung, Vorbereitung und ein paar Grundregeln klappt das gut. Starte mit einigen Einheiten kontrollierten Führtrainings, damit Verständigung und Kontrolle in Normalsituationen sitzen. Das Pferd soll lernen, seine Aufmerksamkeit beim Führenden zu halten bzw. nach kurzer Ablenkung zurückzukehren.

Arbeite mit freundlichen, bestimmten Halftersignalen: Richtungs- und Tempowechsel ankündigen, mit Impulsen statt Ziehen oder Drücken. Variiere häufig (Zickzack, Anhalten, Rückwärts- und Seitwärtsschritte). So gibst du den Takt vor, wirst zum Agierenden, das Pferd reagiert. Je klarer Halfter- und Körpersignale, desto schneller orientiert es sich an dir.

Ziel ist ein WIR-Gefühl: Du wirst zum verlässlichen Sozialpartner und führenden Herdenpartner, dem sich das Pferd gern anvertraut. Erkennbar daran, dass es beim Führen „Ohr und Auge“ auf deiner Seite hat – auf beiden Seiten gleichermaßen erarbeiten.

Eine Frau steht auf einer Weide mit ihrem braunen Pferd und hält es an einer Leine

Gemeinsam schaffen wir das

Wir sind also inzwischen miteinander im ständigen „gefühlten Dialog“ verbunden und es ist ein gemeinsames „WIR-Gefühl“ entstanden – das bedeutet auch, dass wir uns gegenseitig Vertrauen können, da wir uns verständigen und miteinander abstimmen. Unser Pferd geht locker und entspannt neben uns.

Eine Frau hält ein Pferd an einer Leine. Im Hintergrund sieht man Berge

Auf einem eingezäunten Platz arbeitest du aus eurem vorhandenen Wir-Gefühl heraus: ruhig führen, ohne Zwang, Neugier wecken. Starte mit Abstand zum ungewohnten Objekt (z. B. Gymnastikball) und hole dir über sanfte Halfterimpulse immer wieder kurz die Aufmerksamkeit. Wird dein Pferd entspannter, verkürze die Distanz in klaren Linien. Gehe dann ruhig und gerade auf das Objekt zu: Zeigt es Interesse, gehst du gelassen mit; stockt es, hältst du an und bittest mit sehr dezenten Signalen um einen kleinen Schritt mehr. Wichtig: Ruhe und Zuversicht ausstrahlen, nicht drängen und nicht zurückweichen.

Eine Frau hält eine Leine an der ein braunes Pferd angebunden ist. Diese spielt mit seinem Kopf mit einem blauen Ball

Ist das Interesse geweckt, so wird der Erkundungstrieb des Pferdes geweckt und im Hilfen-Dialog von uns kontrolliert unterstützt.

Sobald es so nah herangetreten ist, dass es den Ball mit Nase berühren kann, lassen es wir es kurz – aber wirklich nur für ein bis zwei Sekunden – schnuppern, und holen uns seine Aufmerksamkeit wieder.

Das kann zwei bis drei Mal wiederholt werden. Dann stoßen wir den Ball vorsichtig mit einem Fuß an, so dass er langsam vom Pferd wegrollt. Das Pferd wird ihm nachschauen und eventuell nachgehen. Sollte es stehen bleiben, so animieren wir es, wieder zum Ball hinzugehen. Das wiederholen wir einige Male, bis es beginnt, dem Ball interessiert zu folgen.

Eine Frau führt ein Pferd, welches vor ihr steht. Das Pferd führt mit seinem Pferd einen blauen Ball.

Beginnt das Pferd, dem Ball zu folgen, so befriedigt das seinen Erkundungstrieb und stärkt sein Selbstvertrauen, da das unbekannte oder ursprünglich ängstigende Objekt sich jetzt von ihm entfernt- „wegläuft“.

Wir können Probleme lösen und das macht uns Spaß

  • Nach 2–3 Einheiten wird dein Pferd den leichten Ball mit dem Huf anstupsen; er rollt weg, ihr folgt ihm und animiert weitere Stupser.

  • Bald „treibt“ es den Ball mit einem oder beiden Vorderhufen vor sich her – ein Erfolgserlebnis, das sein Selbstvertrauen stärkt.

  • Du gibst mit gefühlvollen Impulsen und klarer Körpersprache Richtung und Tempo vor (warten vs. handeln) – im steten Dialog.

  • Die Übung kann auch vom Sattel aus weitergeführt werden: spielerisch, aber angeleitet und kontrolliert; kein „Zirkustrick“ und ohne Leckerli-Konditionierung.

  • Ziel: gemeinsam eine Aufgabe bewältigen und ein Verhaltensmuster anlegen, das sich auf andere Situationen übertragen lässt.

  • Für Problem- oder Schreckmomente: 1) Aufmerksamkeit sichern (Auge/Ohr), 2) Interesse auf die Aufgabe lenken, 3) Erkundungstrieb in kleinen Schritten nutzen.

  • Ergebnis: mehr gegenseitiges Vertrauen, Sicherheit und ein stärkeres Wir-Gefühl.

Uelzener-Tipp von Peter Kreinberg: Gemeinsam vorankommen: Das „Wir-Gefühl“ stärken. Im Original erschienen auf The Gentle Touch

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