Geschlossenes Pferdeauge, Nahaufnahme.
Tiergesundheit

Schlafmangel beim Pferd: Wie er entsteht und was man dagegen tun kann

09.08.2024

Schlafmangel betrifft nicht nur den Menschen, auch Pferde können darunter leiden. Zwar haben die Tiere ein völlig anderes Ruheverhalten und benötigen auch nicht so viel Schlaf wie wir, das heißt jedoch nicht, dass ein Defizit ihnen nichts ausmacht. Im Gegenteil. Fehlt es Pferden an Schlaf, kann das genauso wie beim Menschen mentale und körperliche Auswirkungen haben. Eine ausreichende Schlafdauer und eine gute Schlafqualität sind essenziell für die Gesundheit und das Wohlbefinden eines Pferdes. Aber wie entsteht Schlafmangel und was kann man dagegen tun? Wir geben einen Überblick. 

Exkurs zum Schlafverhalten bei Pferden

Pferde benötigen je nach Alter und Aktivitätslevel unterschiedlich viel Schlaf. Während Fohlen in den ersten Lebenswochen neun bis zehn Stunden täglich schlafen, da der Körper im Wachstum mehr Regenerationszeit benötigt, kommen erwachsene Pferde durchschnittlich auf drei bis fünf Stunden pro Tag. Pferde zeigen ein sogenanntes polyphasisches Schlafverhalten. Das heißt, dass sie im Gegensatz zum Menschen nicht am Stück schlafen, sondern mehrere Schlafzyklen durchlaufen, die sich wiederum in verschiedene Schlafphasen gliedern: 

  • Dösen oder Leichtschlaf: Der Leichtschlaf erfolgt im Stehen, wobei der Kopf des Pferdes leicht abgesenkt ist. Die Augen sind meist halb oder ganz geschlossen, die Unterlippe entspannt und die Ohren seitwärtsgestellt. 
  • Tiefschlaf: Der Tiefschlaf, auch SWS-Schlaf (SWS = Slow Wave Sleep) genannt, erfolgt ebenfalls im Stehen. Im Wechsel wird ein Hinterbein belastet und das andere entlastet, so dass sich das Gewicht quasi immer auf drei Beine verteilt. Kopf und Hals hängen tiefer, die Ohren hängen. 
  • REM-Schlaf: Der REM-Schlaf bezeichnet die Traumschlafphase und ist durch schnelle Augenbewegungen (Rapid Eye Movement = REM) gekennzeichnet. Der Muskeltonus ist hier am geringsten, so dass der REM-Schlaf nur im Liegen erfolgen kann. 

Der REM-Schlaf ist die kürzeste Schlafphase, spielt für die Regeneration des Pferdes jedoch eine zentrale Rolle. Im Gehirn werden vergangene Eindrücke verarbeitet und neue Nervenverbindungen aufgebaut. Während sich ein Mangel an Leichtschlafphasen mehr oder weniger gut kompensieren ließe, sieht es beim REM-Schlaf anders aus. Kommt es hier dauerhaft zu einem Defizit, kann das ernste gesundheitliche Konsequenzen für das Pferd haben.

Wie äußert sich Schlafmangel beim Pferd?

Schlafmangel bei Pferden ist ein Syndrom, das lange unentdeckt bleiben kann. Das hat unter anderem damit zu tun, dass entsprechende Symptome oft erst spät bemerkt und nicht immer sofort mit einem Schlafdefizit in Zusammenhang gebracht werden. Wir geben einen Überblick über mögliche Anzeichen, dass es dem Pferd an Schlaf fehlt:

  • Verhaltensänderungen: Gereiztheit, Überreaktion, Apathie, Abgeschlagenheit
  • Geringere Stressresistenz
  • Nachlassende Leistungsfähigkeit und Lernfähigkeit
  • Müdigkeit, Unkonzentriertheit, verringerte Gedächtnisleistung
  • Stagnierender Muskelaufbau trotz abgestimmter Ernährung und Training
  • Gewichtsverlust
  • Stumpfes Fell
  • Häufiges Ablegen des Kopfes (bspw. auf Stalltüren oder Futterkrippen)
  • Rückzugsverhalten
  • Einknicken der Vordergliedmaßen und vermehrte Stürze
  • Damit einhergehend Verletzungen an Karpal-/Fesselgelenken und Lippen
  • Vollständige Zusammenbrüche
  • Immunschwäche und höhere Infektanfälligkeit 

Häufig bedingt eins das andere: Pferde, die aufgrund von Schlafmangel übermüdet sind, können weniger gut mit Stress umgehen und reagieren empfindlicher auf Umgebungsreize. Das führt zu noch mehr Stress, so dass die Tiere permanent unter Anspannung stehen und dadurch schlechter in den Schlaf finden. Dass es vermehrt zu Stürzen und Zusammenbrüchen kommt, hängt damit zusammen, dass der Körper des Pferdes die REM-Phase aufgrund von Erschöpfung irgendwann bedingungslos einfordert. Das Pferd fällt dann vom Tiefschlaf abrupt in den REM-Schlaf. Die Muskulatur erschlafft, wodurch das Pferd stürzt oder mit den Vorderbeinen einknickt. Auf diese Weise kommt es zu den typischen Verletzungen an Vorderbeinen, Vorderfuß- und Fesselgelenken, die mitunter kompliziert zu behandeln sind und gegebenenfalls eine Operation erforderlich machen. Eine Pferdekrankenversicherung oder Pferde-OP-Versicherung bietet in solchen Fällen finanziellen Schutz. Sie deckt die Kosten, die mit Heilbehandlungen oder chirurgischen Eingriffen einhergehen, so dass das Pferd bestmöglich versorgt werden kann.

Wie entsteht Schlafmangel beim Pferd?

Schlafmangel bei Pferden lief in der Veterinärmedizin lange Zeit unter dem Radar. In der Vergangenheit wurden Symptome wie permanente Übermüdung und vermehrtes Kollabieren eher mit Narkolepsie in Verbindung gebracht. Narkolepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, die durch zwanghafte, episodische Schlafanfälle gekennzeichnet ist. Heute weiß man, dass ein Mangel an REM-Schlaf ganz ähnliche Symptome verursachen kann und deutlich häufiger auftritt als die echte Narkolepsie, weswegen er auch als Pseudonarkolepsie bezeichnet wird.

Aber wie kommt es nun eigentlich zu einem Schlafmangel bei Pferden? Um diese Frage zu beantworten, muss man ihr Wesen als Fluchttiere verstehen. Pferde haben naturgemäß ein großes Sicherheitsbedürfnis, woraus sich ihr spezielles Schlafverhalten im Lauf der Evolution entwickelt hat. Um bei Gefahr jederzeit fliehen zu können, verbringen sie den Großteil ihrer Schlafphasen im Stehen. Nur in der kurzen REM-Phase legen sie sich ab, damit der Körper regenerieren kann. Fühlt sich ein Pferd nicht sicher genug, etwa aufgrund von Stress oder Unwohlsein, stehen das Sicherheits- und das Schlafbedürfnis miteinander in Konflikt. Für gewöhnlich setzt sich der Überlebensinstinkt durch, so dass das Tier auf den wichtigen REM-Schlaf verzichtet. Geschieht das über einen längeren Zeitraum, kann sich der Körper nie vollständig erholen, was früher oder später gesundheitliche Auswirkungen hat.

Es gibt vielerlei Gründe, weswegen sich Pferde gestresst oder unwohl und infolgedessen nicht sicher fühlen. Demzufolge ist die Bandbreite an Ursachen für Schlafmangel groß.

  • Zu laute oder zu helle Umgebung: Bei Lärm oder zu heller Beleuchtung fällt es Pferden schwer, zur Ruhe zu kommen. 
  • Zu wenig Platz: Ist die Liegefläche in der Box oder im Offenstall zu klein, hat das Pferd keine Möglichkeit, sich für den wichtigen REM-Schlaf abzulegen.
  • Ungeeigneter Boden: Auf rutschigem oder nassem Untergrund gestalten sich das Ablegen und Aufstehen mühsamer für das Pferd. Ist der Boden zu hart oder zu kalt, verkürzt das die Liege- und somit die Schlafdauer. 
  • Sozialer Stress: Sozialer Stress kann durch Konflikte in der Herde, aber auch durch Isolation entstehen. In beiden Fällen fühlt sich das Pferd nicht ausreichend geschützt und ist in ständiger Alarmbereitschaft.
  • Reisen und Stallwechsel: Durch ständiges Reisen oder häufige Stallwechsel können sich Pferde nicht an ihre Umgebung gewöhnen und ein Gefühl von Sicherheit entwickeln.
  • Veränderte Tagesabläufe: Veränderte Routinen und Haltungsbedingungen können den Schlaf-Wach-Rhythmus eines Pferdes durcheinanderbringen.
  • Schmerzen und körperliche Beschwerden: Schmerzen, körperliche Beschwerden und Erkrankungen können Pferde am Schlafen hindern. 

Neben den aufgeführten Ursachen kann auch eine Trächtigkeit Grund für Schlafmangel sein. Gerade im letzten Monat der Tragzeit kann es vorkommen, dass sich die Stute seltener ablegt und in der Folge weniger schläft.

Was tun, wenn dem Pferd Schlaf fehlt?

Kommt der Verdacht auf, dass das Pferd unter Schlafmangel leidet, sollte man unverzüglich handeln und der Ursache auf den Grund gehen. Um in Erfahrung zu bringen, wie es um das Liege- und Schlafverhalten des Pferdes steht, empfiehlt sich eine Videoüberwachung – vor allem in der Nacht, denn gerade dann bleiben Geschehnisse oft unbemerkt. Eine Kameraaufzeichnung kann dabei helfen nachzuvollziehen, ob das Pferd Probleme mit dem Ablegen oder Einschlafen hat, in welchen Situationen das der Fall ist und ob es erkennbare Auslöser gibt. Unumgänglich ist zudem eine tierärztliche Untersuchung, da auch Schmerzen und gesundheitliche Beschweren einen Schlafmangel beim Pferd verursachen können. 

Des Weiteren ist es sinnvoll, die Haltungsbedingungen des Pferdes zu prüfen. In dem Zusammenhang empfehlen sich folgende Maßnahmen:

  • Gruppen- statt Einzelhaltung: Eine Gruppenhaltung kommt den Bedürfnissen von Pferden tendenziell besser entgegen als eine Einzelhaltung. Voraussetzung ist allerdings in friedliches und stressfreies Miteinander. 
  • Sozialmanagement: Sind rangniedere Tiere in der Gruppe ständigem Stress ausgesetzt, kann es sinnvoll sein, sie nachts zu isolieren und in einer eigenen Box unterzubringen, damit sie Schlaf finden können. Sollten die Pferde trotzdem nicht zur Ruhe finden, ist eine dauerhafte Einzelhaltung die bessere Alternative. Am pferdefreundlichsten ist die Unterbringung in einer Paddockbox, da je nach Gestaltung der Trennwand ein Sozialkontakt zu Artgenossen möglich ist. Leidet ein Pferd unter der Isolation, kann es helfen, ihm ein festes Partnerpferd an die Seite zu stellen.
  • Ausreichend Liegefläche sicherstellen: Die Grundfläche der Box und die Liegefläche pro Pferd in der Gruppenhaltung sollten ausreichend bemessen sein. Nach deutschen Tierschutzrichtlinien berechnet sich die benötigte Liegefläche für ein Pferd nach folgender Formel: Fläche ≥ Widerristhöhe² x 3. Das ist jedoch die absolute Mindestanforderung. Besser ist es, mit dem Faktor 6 zu multiplizieren.
  • Geeignete Einstreu verwenden: Einstreu hat den Zweck, den Boden trocken zu halten und dem Pferd einen weichen Untergrund zu bieten, wenn es sich ablegt. Auch bei der Verwendung von Gummimatten ist zusätzliche Einstreu wichtig, um eine tiergerechte Umgebung zu schaffen. Stroh eignet sich als Einstreu besser als Holzspäne, weil es weniger piekt und besser isoliert. Dient es auch als Futter, kann es allerdings sein, dass ranghöhere Tiere das Stroh für sich beanspruchen und rangniedere Tiere ihre Liegeflächen verlassen müssen oder sich aus Angst vor Konflikten gar nicht mehr ablegen möchten.
  • Stallruhe und feste Liegezeiten: Die Liegephasen von Pferden erstrecken sich normalerweise von 0 bis 6 Uhr. In dieser Zeit ist dafür Sorge zu tragen, dass die Tiere nicht gestört werden und allgemeine Stallruhe herrscht. Das impliziert, dass die Pferde nicht vor 6 Uhr morgens auf die Weide gehen – auch im Sommer, wenn Halterinnen und Halter ihre Tiere lieber früher hinausschicken würden, weil es dann noch nicht so heiß ist.
  • Stress vermeiden: Häufige Stallwechsel, Reisen, Turniere, wechselnde Herdenzusammensetzungen, wechselnde Boxennachbarn, Veränderungen im Futterplan, laute Geräusche – all das kann Pferde unter Stress setzen und sollte vermieden werden. 

Wichtig: Solange die Ursache für die Schlafstörung nicht gefunden und in zufriedenstellendem Maß behandelt ist, gilt es, potenziellen Verletzungen durch Stürze weitestgehend vorzubeugen. Zu diesem Zweck empfiehlt es sich, dicke Strohmatratzen auf den Boden zu legen und die Wände der Box auszupolstern. Es kann auch sinnvoll sein, dem Pferd gepolsterte Gamaschen anzuziehen, um die Gliedmaßen vor Verletzungen zu schützen.

Fazit

Schlafmangel kann weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheit und Lebensqualität eines Pferdes haben. Umso wichtiger ist es, Symptome möglichst früh zu erkennen und aktiv zu werden, damit dem Tier geholfen werden kann. In dem Zusammenhang ist es essenziell, die Schlafgewohnheiten und das Verhalten des Pferdes genau zu beobachten und die Ursache ausfindig zu machen. Schlafmangel entsteht hauptsächlich stressbedingt und kann daher vielfältige Gründe haben, seien es körperliche Beschwerden, zu wenig Platz in der Box oder soziale Konflikte mit Artgenossen. Eine gute Haltungs- und Pflegepraxis, eine komfortable, geräumige Liegefläche und eine stabile Herdenstruktur können dazu beitragen, dass ein Pferd die Ruhe und Erholung bekommt, die es braucht.

FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Thema Schlafmangel beim Pferd

Wie kann ich feststellen, ob mein Pferd genug schläft?

Um festzustellen, ob das Pferd ausreichend schläft, sollte man sein Verhalten genau beobachten. Dabei ist darauf zu achten, wie oft und wie lange es sich ablegt, und ob es Anzeichen von Müdigkeit oder Stress zeigt. Eine Überwachungskamera im Stall kann dabei sehr hilfreich sein.

Kann ein Tierarzt bei Schlafmangel helfen?

Ja, ein Tierarzt oder eine Tierärztin kann dabei helfen, mögliche gesundheitliche Ursachen für den Schlafmangel zu identifizieren und zu behandeln, sowie Empfehlungen aussprechen, um die Haltungsbedingungen zu verbessern und Stressfaktoren zu reduzieren.

Welche Erkrankungen können Schlafmangel beim Pferd auslösen?

Grundsätzlich kann jede Art von Erkrankung zu Schlafmangel führen, wenn sie das Pferd beim Liegen beeinträchtigt, mit Schmerzen einhergeht oder anderweitigen Stress verursacht. Ein Beispiel für eine innere Erkrankung, die mit Schlafmangel einhergehen kann, ist Asthma. Bekommt das Pferd schlecht Luft, schränkt das die Schlafdauer und Schlafqualität ein. Auch Arthrose, die von chronischen Gelenkschmerzen begleitet ist, kann zu Schlafmangel führen.

Haben die Jahreszeiten einen Einfluss auf den Schlaf eines Pferdes?

Jede Saison bringt unterschiedliche Temperaturen und Lichtverhältnisse mit sich, die das Schlafverhalten eines Pferdes durchaus beeinflussen können. Es ist wichtig, im Winter für ausreichend Wärme und im Sommer für Schutz vor Hitze zu sorgen, damit das Pferd erholsam schlafen kann.

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